Öffne deine Seele (German Edition)
sei – das Fotografieren –, um das ganze Bild einzufangen. Was auch immer er damit gemeint hat. Ich muss immer daran denken, was Klaus Matthiesen gesagt hat, und Sie haben das ja bestätigt: Bei Sieverstedt Import/Export kam der Junge überhaupt nicht vor. Er hatte sozusagen gar kein Bild vom Unternehmen seiner eigenen Familie. Wenn das Ganze womöglich in diese Richtung geht, bin ich froh, dass …»
«Ein sehr guter Gedanke, Max. Sie würden sich die Sieverstedts also noch einmal vornehmen. Sehr gut. Und dann?»
«Und dann?»
«Wie würden Sie verfahren? Was würden Sie tun – an meiner Stelle?»
«Ich … Sie noch einmal befragen, denke ich, oder?»
«Und dann?»
Faber blinzelte. «Käme drauf an, was sie aussagen, oder? Also der Konsul, und …» Er hob die Schultern. «Je nachdem, nicht wahr? Ich bin froh, dass Sie wieder hier sind, Hauptkommissar. Wir alle. Gerade jetzt. Das wäre einfach eine Nummer zu groß für uns.»
Albrecht schnaubte. «Unsinn.» Schräg über Fabers Kopf sah er die Wanduhr. Er musste im letzten Moment bei Lorentz und der versammelten Journaille auf dem Präsidium erscheinen – doch auf keinen Fall zu spät. Der Präsidentin war zuzutrauen, dass sie die Fragerunde ohne ihn eröffnete. Die wichtigsten Informationen zur Ermittlung hatte er ihr bereits telefonisch durchgegeben.
«Was haben Sie mir über Marius mitgebracht?», fragte er.
Faber schlug seinen Hefter auf. Seine Erleichterung war unübersehbar.
«Marius …», murmelte er und sah kurz auf. «Das Schwierigste war tatsächlich der Nachname. Offenbar gehört das zum Geheimnis, das er um sich macht. Ich war ja jetzt erst einmal auf die offen zugänglichen Quellen angewiesen. Marius Soppeldt heißt er, Jahrgang 1961, ist jetzt also Anfang fünfzig. Er stammt aus Gifhorn, einem Städtchen in Niedersachsen, und hat – Sie werden lachen – ursprünglich eine journalistische Ausbildung gemacht.»
Wenn die Presse ins Spiel kam, war Lachen so ziemlich die letzte Reaktion, nach der dem Hauptkommissar zumute war. Doch er nickte. «Bitte», sagte er. «Weiter. Qualifiziert ihn irgendwas zu dem Zeug, das er in seiner Show abzieht?»
«Er hat Psychologie studiert, in Berlin und Heidelberg.» Faber sah in den Hefter. «Allerdings ohne Abschluss. Stattdessen hat er mehrere Jahre in Indien und Südostasien verbracht. Auf Forschungsreisen. So steht das jedenfalls bei Wikipedia.»
Albrecht stieß ein Geräusch aus, bei dem er davon ausging, dass es seine Einschätzung deutlich machte.
Psychologie. Kein Abschluss. Forschungsreisen.
Bei den einzelnen Punkten unterschied sie sich nur graduell.
«Und wie hat er das angestellt, blind wie ein Maulwurf?»
«Er ist nicht blind», widersprach Faber. «Wie ich das verstanden habe, handelt es sich um eine Überempfindlichkeit gegen Licht, die anscheinend mit einem Unfall zusammenhängt. Das ist alles sehr undeutlich. Er selbst sprach später davon, dass er erleuchtet wurde.»
«Drogen?»
«Nein, offenbar war es ein Verkehrsunfall oder so was, aber natürlich klingt’s dramatischer, wenn man das in der Schwebe lässt.»
«Sonst irgendwas in dieser Richtung? Vorstrafen?»
Faber schüttelte bedauernd den Kopf. «Tut mir leid. In dieser Hinsicht hat er eine vollständig weiße Weste. Zurück in Deutschland, hat er eine School of spiritual advisory gegründet. Was das genau war, konnte ich noch nicht klären, möglicherweise schon eine Vorform von dem, was er jetzt macht. Wie ich das sehe, hat er einfach Menschen seinen Rat angeboten.»
«Und sich dafür bezahlen lassen.»
«Offenbar hatte er keine anderen Einkünfte, ja. Bis die Fernsehkarriere losging. Auch das ist nicht ganz klar, aber einer seiner Kunden war wohl einer der Kanal-Sieben-Bosse, und so hat sich das ergeben. Von da an gab es eigentlich immer nur eine Richtung: nach oben.»
«Bis in die Schwarzen Berge», brummte Albrecht. «Wie ist er an den Schuppen dort gekommen?»
«Eine testamentarische Verfügung. Die letzte Besitzerin war eine seiner Anhängerinnen. Sie war über achtzig, als sie im Ohlsdorfer Klinikum starb. Keinerlei Hinweise, dass irgendwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Marius kam es wohl sowieso mehr auf die inneren Werte des Anwesens an.»
«Bitte?»
«Es gibt wohl einen recht ausgedehnten Keller, in den er sich bei einem Krankheitsschub zurückziehen kann.»
«Und die fröhliche Gemeinde, die er dort oben versammelt?»
«Zum ehemaligen Gutshof gehört sehr viel Wald, auch
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