Öffne die Augen: Thriller (German Edition)
geblieben, unter anderem die erweiterten Pupillen des kleinen Mädchens. Sie haben von LSD und Hypnose gesprochen, könnte das auch hier zutreffen? Und…«
Sie suchte in ihrer Mappe und zog schließlich ein Foto heraus, das sie Leclerc reichte.
» Hier ist ein Foto der Kleinen vor dem Angriff auf die Kaninchen. Vergleichen Sie das einmal mit dem von dem deutschen Soldaten. Sehen Sie sich den Ausdruck an, bevor sie töten.«
Leclerc legte die beiden Abzüge nebeneinander.
» Dieselbe Kaltblütigkeit.«
» Derselbe Blick, derselbe Hass, derselbe Wunsch zu töten. Der eine ist dreißig, die andere gerade mal sieben oder acht Jahre alt. Wie kann ein so kleines Kind einen solchen Blick haben?«
Schweigen. Der Leiter der OCRVP reichte die beiden Fotos herum. Dann erhob er sich, füllte sein Glas an dem Wasserspender in der anderen Ecke des Raums und nutzte die Gelegenheit, um sein Handy zu konsultieren. Um Haltung bemüht, kam er zurück, doch Sharko begriff sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Irgendetwas war mit Kathia los.
» Sonst noch etwas, Hauptkommissar Kashmareck?«
Der Liller schüttelte den Kopf.
» Die Auswertung der Anrufe, die Szpilman in den letzten Monaten getätigt hat, hat nichts ergeben. Wir nehmen an, dass er oft via Internet mit dem Kanadier Kontakt aufnahm. Aber im Moment sind unsere Leute nicht weitergekommen. Der Belgier benutzte die verschiedensten Systeme, sodass seine Verbindungen völlig anonym blieben. Und seinen E-Mails ist nichts zu entnehmen, was unseren Fall betrifft.«
Leclerc dankte ihm mit einem kurzen Nicken und wandte sich an seinen Hauptkommissar.
» Du bist dran. Ägypten…«
Sharko räusperte sich und berichtete von seinem Abenteuer, natürlich ohne sein Treffen mit Atef Ab el-Aal und die Vorkommnisse in der Wüste zu erwähnen. Er behauptete stattdessen, durch die Befragung der Angehörigen auf die Rolle der Krankenhäuser gestoßen zu sein. Zufrieden stellte er fest, dass er noch immer sehr gut lügen konnte.
Während seiner Ausführungen beobachtete Lucie ihn aufmerksam. Ein eindrucksvoller Typ, wie man sie heute kaum mehr fand: Die Hände waren übersät von kleinen Narben, alte Schnitte vom Rasieren an Wangen und Kinn, breite Schläfen und eine Nase, die sicher mehr als ein Mal gebrochen war. Wäre er nicht Hauptkommissar gewesen, hätte man ihn für einen Boxer der Mittelgewichtsklasse halten können. Kein schöner Mann, aber Lucie fand, dass er Charme und innere Kraft ausstrahlte.
» Diese Mädchen litten unter einer kollektiven Hysterie«, schloss der Kommissar. » Und wenn man sich den Film genau ansieht, dann trifft das auch auf die Kleinen mit den Kaninchen zu.«
» Stimmt«, pflichtete ihm Leclerc bei. » Was hältst du davon?«
Alle Blicke richteten sich auf Sharko.
» Fassen wir zusammen… 1954 und 1955 in der Nähe von Montreal, ein Raum, sicherlich in irgendeinem Krankenhaus. Auf der einen Seite die Mädchen, auf der anderen die Kaninchen. Eine Kamera steht bereit, um das Phänomen zu filmen… Und es ereignet sich tatsächlich. In einem Anfall von Wahnsinn fangen die Kinder an, die Tiere zu massakrieren. 1993 in Kairo. Eine unerklärliche Welle von Hysterie erfasst das ganze Land von Norden nach Süden. Die Information verbreitet sich bei den Wissenschaftlern weltweit. Ein Jahr später schlägt der Täter bei drei jungen Mädchen zu, die unter der stärksten Variante der Krankheit leiden. Drei Morde, drei entfernte Gehirne.«
» Die Augen nicht zu vergessen«, fiel Lucie ein.
» Die Augen nicht zu vergessen… Und dann 2009, sechzehn Jahre später, finden wir fünf vergrabene Leichen, Todeszeitpunkt vor sechs Monaten, maximal einem Jahr. Alle von Kugeln getroffen oder verletzt. Einschüsse im vorderen und hinteren Teil des Oberkörpers und Schädels. An was erinnert Sie ein solches Szenario?«
Lucie ergriff das Wort:
» An Menschen, die in alle Richtungen fliehen? Die ebenfalls unter einer Art Wahnsinn leiden?«
» Oder Männer, die anzugreifen versuchen wie die Kinder. Eine kurze, plötzliche Attacke ohne Vorwarnung. Man hat keine andere Wahl, als sie zu erschießen und ihre Leichen verschwinden zu lassen.«
Er erhob sich und stützte sich auf den Tisch.
» Stellen Sie sich eine Gruppe von fünf Männern vor. Um die zwanzig, kräftig und in guter körperlicher Verfassung. Die meisten von ihnen ehemalige Drogenabhängige, die inzwischen clean sind, weil die Umstände sie dazu gezwungen haben. Gefängnis, Abgeschiedenheit oder
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