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Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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sich etablieren zu lassen, und er besaß die strategischen Fähigkeiten, ihn sich ausbreiten zu lassen. Aber seine Überlegungen waren nicht vollständig.“
    „Eine reichlich hochtrabende Abkanzelung, oder? Wenn Sie bedenken, daß wir die Erde dermaßen kontrollieren, wie das in der Vergangenheit noch keiner einzigen Religionsgemeinschaft …“
    Mondschein lächelte. „Ihre Erfolge auf der Erde sind ganz und gar beeindruckend, das streite ich auch keineswegs ab. Die Erde war aber auch bereit für Vorsts Lehre. Aber warum ist er auf den anderen Planeten gescheitert? Weil seine Analysen zu fortgeschritten sind. Er hat nichts vorgesehen, dem Kolonisten ihre Herzen und Seelen weihen könnten.“
    „Er bietet die physische Unsterblichkeit des lebendigen Körpers an“, sagte Martell barsch. „Ist das etwa nicht genug?“
    „Nein. Er bietet nichts Metaphysisches an; nur ein kaltes Quidproquo: Kommt in die Kirche, bezahlt euren Zehnten, und vielleicht erhaltet ihr das ewige Leben. Es ist eine weltliche Religion, trotz aller Litaneien und Rituale, die darin kreuchen und fleuchen. Es mangelt ihr an Poesie. In ihr findet man kein Jesuskind in der Krippe, keinen Abraham, der seinen Sohn Isaak opfert; in ihr schlägt die Menschlichkeit keine Funken …“
    „Und keine verdummenden Kindermärchen“, ergänzte Martell in unfreundlichem Tonfall. „Natürlich, denn das ist ja die Grundlage unserer Lehre. Wir finden uns in einer Welt wieder, in der es einem nicht mehr möglich war, an die alten Geschichten zu glauben. Und anstatt, daß wir neue ausgesponnen haben, bieten wir Deutlichkeit, Stärke, die Kraft der naturwissenschaftlichen Errungenschaften …“
    „Und Sie haben die politische Kontrolle über den größten Teil der Erde gewonnen, während Sie auf der anderen Seite vorzügliche Forschungsstätten errichteten, in denen unermüdlich nach dem ewigen Leben und den Grundlagen der PSI-Fähigkeiten gesucht wird. Fein. Sehr gut. Ausgezeichnet. Aber hier auf der Venus hat das alles versagt. Und wir haben Erfolg. Wir haben nämlich eine Geschichte zu erzählen: die Geschichte von Noel Vorst, dem ersten Unsterblichen, seine Erlösung im Atomfeuer, seine Befreiung von der Sünde. Wir bieten unseren Leuten die Chance, durch Vorst und seinen späteren Propheten der Transzendenten Harmonie, David Lazarus, erlöst zu werden. Wir haben etwas zum Vorzeigen, etwas, was die Phantasie der Niedrigstehenden für sich einnimmt. Und warten Sie noch eine Generation ab, dann haben wir auch die Hochstehenden so weit. Diese Leute hier sind Pioniere, Bruder Martell. Diese Leute haben alle Verbindungen und Nabelschnüre mit der Erde abgeschnitten, und sie beginnen, ihren eigenen Kram zu machen, bauen eine Gesellschaftsform auf, die erst ein paar Generationen alt ist. Sie brauchen noch Mythen. Und diese Leute hier schaffen sich ihre eigenen Mythen. Meinen Sie nicht, Martell, daß man in hundert Jahren die ersten Kolonisten der Venus als übernatürliche Wesen ansehen wird? Glauben Sie nicht, daß man sie dann für harmonistische Heilige halten wird?“
    Martell war zutiefst erschreckt. „Ist das das Spielchen, welches Sie hier treiben?“
    „Ein Teil davon.“
    „Alles, was Sie können, ist eine Rückkehr zum Frühchristentum.“
    „Nicht unbedingt. Wir verrichten auch naturwissenschaftliche Forschungen.“
    „Und sie glauben wirklich an Ihre eigene Lehre?“ fragte Martell.
    Mondschein lächelte ganz sonderbar. „Als ich noch jung war“, sagte er, „war ich ein Vorster-Altardiener in der Kirche von N’York. Ich trat in die Bruderschaft ein, weil das für mich ein Job war. Ich mußte erst noch mein Leben ordnen, und ich hegte die verrückte Hoffnung, nach Santa Fe geschickt zu werden, um dort an den Unsterblichkeitsforschungen teilnehmen zu können. Deshalb bin ich dort eingetreten – also aus ziemlich unwürdigen Motiven. Wissen Sie, Martell, daß ich nicht den leisesten Funken einer religiösen Berufung in mir verspürte? Noch nicht einmal die Vorster-Lehre – von allem Schnickschnack befreit, nur noch weltlich – konnte mich berühren. Durch eine ganze Serie von Widrigkeiten, die ich bis heute noch nicht voll verstehe und die ich Ihnen noch nicht einmal ansatzweise erläutern will, habe ich die Bruderschaft verlassen und trat der Harmonistenbewegung bei. Und ich bin als Missionar hierhergekommen; und wie es zur Zeit aussieht, bin ich der erfolgreichste Missionar, der je auf die Venus gekommen ist. Glauben Sie wirklich, die

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