Öffnet den Himmel
er im Chaos des Gestern? Und jetzt im goldenen Glanz des Morgen? Jetzt … jetzt – verdammt sollst du sein, du alter Ränkeschmied; was hast du jetzt wieder mit mir angestellt? Lazarus überragte alles andere, ein Lazarus, der noch nicht einmal echt war, nur ein androidenhafter Brocken, der in irgendeinem geheimen Labor auf Vorsts Geheiß hin zusammengebaut worden war; eine nützliche Marionette, dachte Kirby, Lazarus hatte die Hand nach dem Morgen ausgestreckt und war gerade dabei, es zu stehlen …
Der Kontakt erlosch – der Esper war tot.
„Wir haben wieder einen unnütz verloren“, murmelte Vorst. Der Gründer sah zu seinem Stellvertreter. „Ist Ihnen nicht gut?“ fragte er.
„Nein, ich bin nur müde.“
„Ruhen Sie sich eine Weile aus. Hören Sie sich ein halbes Dutzend Geschichtsbänder an – und dann in einen Regenerationstank. Wir haben das Schlimmste hinter uns. Lazarus ist nicht mehr unmittelbar unsere Sache.“
Kirby nickte. Jemand zog eine Decke über den toten Körper des Espers. In einer Stunde würden die Nervenzellen des Jungen irgendwo in einem angeschlossenen Gebäude in der Kühlabteilung aufbewahrt liegen. Langsam folgte Kirby Vorst aus dem Zimmer, so als lasteten acht Jahrhunderte auf seinen Schultern und nicht nur eins. Inzwischen war es Nacht geworden, und die Sterne verbreiteten ihre für New Mexico typische Helligkeit; und die Venus stand direkt über dem Berghorizont und war der hellste Stern von allen. Dort oben hatten sie jetzt ihren Lazarus. Sie hatten einen Märtyrer verloren und einen Propheten gewonnen. Und Kirby begann zu begreifen, daß das ganze Häretikervolk von Vorst elegant in die Tasche gesteckt worden war. Der alte Mann war ein Teufel. Kirby wickelte sich tiefer in seinen Kapuzenmantel ein und bemühte sich angestrengt, mit Vorst Schritt zu halten, der mit seinem Rollstuhl ziemlich schnell zum Büro fuhr. Kirbys Kopf schmerzte immer noch von diesem kurzen, unfaßbaren Kontakt mit dem Esper. Erst nach zehn Minuten fühlte er sich besser.
Er dachte daran, in eine Kirche zu gehen und dort zu beten. Aber was hatte das für einen Sinn? Warum sollte er vor dem Blauen Feuer niederknien? Kirby brauchte nur zu Vorst zu gehen und sich von ihm segnen lassen – Vorst, sein Lehrmeister seit nahezu acht Jahrzehnten. Vorst, der Kirby sich immer noch wie ein Kind fühlen lassen konnte. Vorst, der Lazarus von den Toten aufgeweckt hatte.
Öffnet den Himmel!
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Der chirurgische Operationssaal war kühl und wie ein Amphitheater geformt; beleuchtet wurde er von einem blaßvioletten Glühen. An der Nordseite ließ die zweite Fensterreihe das frostige Sonnenlicht über New Mexico herein. Noel Vorst konnte von seinem Sitzplatz aus den ganzen Operationstisch überblicken. Jetzt besah er sich die bläulichen Berge, die in mittlerer Entfernung jenseits der Grenzen des Forschungszentrums standen. Die Berge interessierten Vorst nicht. Auch die Ereignisse auf dem Operationstisch ließen ihn völlig unbewegt. Aber er wußte sein Desinteresse für sich zu behalten.
Natürlich mußte Vorst der Operation nicht persönlich beiwohnen; er wußte jetzt schon, wie sie verlaufen würde; genau wie jeder andere das auch wußte. Aber der Gründer war jetzt hundertvierundvierzig Jahre alt, und deshalb hielt er es für äußerst sinnvoll, sich so oft in der Öffentlichkeit zu zeigen, wie seine Körperkräfte dies zuließen. Es war überhaupt nicht wünschenswert, wenn die Leute glaubten, er sei der Senilität anheimgefallen.
Unten drängten sich die Chirurgen dicht um ein offengelegtes Gehirn zusammen. Vorst hatte mitbekommen, wie sie die Schädeldecke geöffnet hatten und mit ihren Laserskalpellen tief in die runzlige graue Masse eingedrungen waren. In dieser Gehirnmasse gab es zehn Milliarden Neuronen, eine unbegrenzte Menge an axonalen Endungen und verästelten Rezeptoren. Die Chirurgen hofften, das Synapsennetz in diesem Gehirn umarrangieren und die protein-molekularen Schaltstellen verändern zu können, um den Patienten noch besser für Vorsts großen Plan zu qualifizieren.
Blanker Unsinn, dachte der alte Mann. Er behielt seinen Pessimismus jedoch für sich und saß ganz still da, während er dem Pochen des Blutes in seinen eigenen, hervorragend gefertigten künstlichen Arterien lauschte.
Dennoch mußte man die Arbeit dort unten natürlich als bemerkenswert bezeichnen. Unter dem Einsatz aller Einrichtungen der modernen Mikrochirurgie wandelten die führenden
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