Öl auf Wasser - Roman
schrecklichen Krieg gegründet worden – kein Mensch erinnerte sich, was diesen Krieg ausgelöst hatte – als das Blut der Toten die Flüsse speiste und das Wasser so mit Blut gesättigt war, dass die Fische starben, und die Leichen der Krieger über viele Meilen im Fluss schwammen, bis die knorrigen Mangrovenwurzeln sie am Ufer einfingen oder sie in den schlammigen Sümpfen steckenblieben, halb aus dem Wasser ragend und halb in ihm verborgen. Es war eine schreckliche Zeit. Das Land war so verseucht, dass sich sogar das Quellwasser rot färbte. Da kamen die Priester verschiedener Schreine zusammen und beschlossen, am Fluss diesen Schrein zu errichten. Das Land musste von Blut und Verschmutzung gereinigt werden.
»Und was hat es mit den Skulpturen auf sich?«
»Die Skulpturen kamen später. Als die Priesterschaft im Laufe der Zeit wuchs, spezialisierten sich einige auf Skulpturen aus Holz und Lehm. Diese Figuren stellen die Ahnen dar, die über uns wachen. Sie blicken nach Osten, um die Schönheit der aufgehenden Sonne zu würdigen, weil es ohne die Sonne kein Leben gäbe. Andere schauen gen Westen, um der untergehenden Sonne den Weg nach Hause zu zeigen und den Mond zu begrüßen. Und täglich ziehen die Glaubensanhänger in einer Prozession zum Fluss hinunter, um in ihm zu baden, in ihm zu weinen und zu versprechen, dass sie ihn niemals wieder misshandeln werden.«
»Und hat das geholfen? Ist der Fluss in seinen Ursprungszustand zurückgekehrt?«
»Ja, und es ist uns seither gelungen, diese Insel von Ölbohrungen und anderen Aktivitäten frei zu halten, die das Wasser vergiften und Gier und Gewalt zur Folge haben.«
Ich sah Gloria an und fragte mich, was sie von dieser Geschichte hielt und von den Glaubensanhängern im Allgemeinen, doch sie war mit ihrem Essen beschäftigt. Wie ein Kind sah sie aus, wie sie da im Gras saß, den langen Rock um die wohl geformten Beine, ein Kind in seiner eigenen Welt oder einfach eines, das mit seinen Spielsachen spielt.
»Und warum gehörst du nicht zu den Glaubensanhängern?«
Ich hatte die Stimme gesenkt, sodass nur sie mich hören konnte. Aber ich war mir nicht sicher, ob sie mich überhaupt gehört hatte, weil sie den Kopf immer noch über den Teller gebeugt hatte. Ich räusperte mich, um meine Frage zu wiederholen, aber da schaute sie auf und lächelte.
»Naja, weil ich noch nicht allzu lange hier bin. Der Schrein hat mich als Krankenschwester angestellt. Über den religiösen Aspekt der Sache habe ich noch gar nicht richtig nachgedacht.«
Ich schob meinen Teller zur Seite. Der
Yam
mit dem Fischgulasch hatte überraschend gut geschmeckt. Die anderen waren ebenfalls mit dem Essen fertig und unterhielten sich weiter mit Naman.
»Wie lange bist du schon hier?«
»Diesmal sind es bereits zwei Monate, aber ich bin nicht ständig hier.«
»Und du kommst hier im Schrein unter?«
»Ich habe ein Zimmer im Dorf. Dort wohne ich, wenn ich hier bin.«
Ich wollte die Unterhaltung auf die Entführung und die Rebellen bringen, andererseits aber nicht aufdringlich oder unhöflich erscheinen.
»Bist du hier glücklich? Fühlst du dich sicher?«
Sie sah mich an, ernst und nachdenklich.
»Hier ergibt alles einen Sinn.«
»Verstehe. Kommst du mit nach Zaq sehen? Er hatte Schmerzen, als ich ihn verließ.«
Es widerstrebte mir, sie zu verlassen. Bislang hatte sie meine Fragen recht bereitwillig beantwortet, und wenn es mir gelang, sie zur Hütte mitzunehmen, wäre sie vielleicht sogar bereit, auf direktere Fragen zu antworten. Sie gehörte nicht zu den Glaubensanhängern und sie war lange genug auf der Insel, um zu wissen, was sich abspielte, und das machte sie zur idealen Quelle. Außerdem fand ich sie sehr anziehend.
»Ja, natürlich. Ich werde nach ihm sehen, bevor er schlafen geht.«
Wir fanden Zaq vor einem Feuer in einem Kohlebecken, das man zu seinen Füßen hingestellt hatte. Er saß auf seiner Matte. Er hatte den Rücken an die Wand gelehnt, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht im Mindesten, als er mich mit Gloria eintreten sah. Er schien in Gedanken versunken.
»Die Schwester ist da und will nach dir sehen.«
Es dauerte einige Minuten, bis er aufblickte. Er keuchte. In Licht und Schatten tanzten die Flammen auf seinem Gesicht, mischten sich mit Falten und Kuhlen, ließen sie deutlicher hervortreten. Seine Augen glänzten, und mir war klar, dass er sich über den in der Flasche verbliebenen Rest hergemacht hatte. Als sich die Krankenschwester neben ihn
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