Öl auf Wasser - Roman
echter Gentleman, als er es erfuhr, die Rebellen öffentlich bestraft und sich persönlich bei der Gemeinschaft entschuldigt. Ein guter Mensch, der echte Professor. Diesmal aber hatten sie einen anderen Anführer, einen jüngeren, und der versammelte alle in der Gebetshütte und verlangte, dass die Glaubensanhänger ihm die Treue schworen – stell dir das mal vor. Als Naman einwand, dass das nun wirklich nicht erforderlich wäre, setzte der Mann ihm das Gewehr auf die Brust und befahl ihm, den Mund zu halten. Dann behauptete er, herausgefunden zu haben, dass Verräter aus ihrer Mitte, Informanten, den Soldaten Hinweise gaben. Jemand von hier, von der Insel, aus dem Schrein, musste sie an die Soldaten verraten haben, kurz bevor sie sich auf Agbuki mit den Reportern treffen konnten. Er sagte außerdem, dass er und seine Männer die Nacht über dableiben und sich erst morgen wieder auf den Weg machen würden, und bevor sie verschwänden, würden sie eine Geisel nehmen, nur um sicher zu gehen, dass die Glaubensanhänger kooperierten. Und dann zeigte er auf Gloria und sagte: Du kommst morgen mit.
Doch früh am nächsten Morgen waren die Soldaten da. Zuerst kamen sie in einem Boot und waren nur zu fünft. Es war eine Routinepatrouille; sie hatten keine Ahnung, dass sich die Rebellen hier aufhielten und gerieten in einen Hinterhalt – es war ein Massaker. Sie wurden auf der Stelle getötet. Die Rebellen hatten Maschinengewehre und Granaten. Doch mussten die Soldaten noch Verstärkung angefordert haben, da an diesem Morgen der Hubschrauber kam und wahllos auf alles schoss, was unter ihm lag.
»Die Leute rannten und sprangen ins Wasser. Es war schrecklich. Fürchterlich. Das Wasser färbte sich rot. Blut, das war Blut. In der allgemeinen Verwirrung stahlen sich die Rebellen davon und überließen die Dorfbewohner den Soldaten. Und, siehst du, jetzt liegt alles in Schutt und Asche. Nichts mehr übrig, und es grenzt an ein Wunder, dass noch so viele am Leben sind. Ein Wunder.«
Er wiederholte es ein ums andere Mal: ein Wunder.
»Und wo ist Gloria?«
»Sie haben sie mitgenommen, wie sie es angekündigt hatten. Sie weinte und schrie, aber sie schleppten sie weg.«
»Da war grade eine junge Dame hier und hat dich gesucht. Sie sagte, sie wär deine Schwester. Hast du eine Schwester?«
»Boma? Hier?«
Zaq hob den Kopf aus dem Gras und schaute sich um. Er befand sich noch genau an der Stelle, an der ich ihn vor zwei Stunden verlassen hatte, im Gras unter einem Baum, nur hatte er sich inzwischen lang hingestreckt, den Kopf auf die hervortretenden Wurzeln des Baumes gelegt.
»Ich sagte ihr, sie solle herumgehen, und dass du irgendwo da draußen wärst. Vielleicht ist sie dort drüben bei den Frauen.«
Ich wusste nicht so recht, was ich mit dieser Nachricht anfangen sollte. Was hatte Boma hier verloren? Wie war sie hierhergekommen? Ich ließ Zaq liegen und ging zu den Frauen hinüber. Das Lager hatte sich geteilt. Die Männer befanden sich auf der einen Seite, näher am Wasser, und die Frauen lagerten dort, wo die Bäume anfingen. Die Frauen saßen in Gruppen beieinander, die Gesunden kümmerten sich um die Verletzten, während ihnen die Kinder zwischen den Beinen herumkrochen und im Gras tollten, der ernsten Lage gegenüber gleichgültig. Und um diese beiden Gruppen herum waren die Soldaten postiert, die Gewehre im Anschlag, die Blicke wachsam auf jede Bewegung auf dem Wasser gerichtet. Ich entdeckte Boma allein auf einem Baumstamm sitzend und abwesend zwei Bengeln zuschauend, die im Gras miteinander rangen. Sie lächelte, und sie sah hübsch aus. Ich schaute auf die unversehrte Seite ihres Gesichts, und mit einem Mal fühlte ich mich viele Jahre zurückversetzt, in jenen letzten Augenblick, in dem ich sie so erlebt hatte, ohne die Narbe. Ich war nach meiner Lehre bei Udoh Fotos aus Port Harcourt nach Hause gekommen; Boma und John gingen bereits miteinander und sprachen schon davon, eines Tages zu heiraten. John hatte die ganze Stadt Junction mit einer einzigen Handbewegung umschrieben.
»Aber erst einmal müssen wir hier raus.«
An dem Tag, an dem ich fortfuhr, brachten John und Boma mich zur Bushaltestelle, und als der Bus anfuhr, winkte Boma und winkte immer weiter und die Sonne schien auf ihr glattes Gesicht, genau wie jetzt. Glatt und unbeschädigt.
»Was machst du denn hier? Ich weiß schon, musst es mir nicht erst sagen. Du hoffst, John hier im Wald zu finden, wo er auf dich wartet.«
Während ich sprach, wurde
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