Öl auf Wasser - Roman
ich immer lauter, redete mich in Rage. Ich zeigte um mich.
»Sieh, hier wird gekämpft. Du könntest getötet werden, Boma. Und wofür das alles, für einen Mann, der dich verlassen hat, weil er es nicht mehr ertragen konnte, dein Gesicht zu sehen? Es wird langsam Zeit, nach vorn zu sehen. Der kommt nicht mehr zurück. Der ist weg. Begreif das endlich.«
Sie starrte mich an, den Kopf geneigt, als beobachtete sie einen Fremden. Ich aber kannte keine Gnade. Ich war müde und wollte einzig und allein so weit weg von ihr sein wie irgend möglich, weil ihre Gegenwart die Last auf meinen Schultern nur noch größer machte.
»Ich bin deinetwegen gekommen, nicht wegen John.«
Ich setzte mich neben sie.
»Du solltest nur einen Tag weg bleiben. Ich war in deinem Büro, um herauszufinden, ob sie irgendwelche Nachrichten hätten, und sie verneinten. Nichts. Und dann meinte dein Redakteur, dass ich dir sagen sollte, dass du nicht mehr im Büro aufzukreuzen brauchst.
»Das hat er wirklich gesagt?«
»Ja.«
Wie schnell die Dinge sich änderten. Es schien erst gestern gewesen zu sein, dass ich zur Rechten des Vorsitzenden gesessen hatte und die Belegschaft mir zuprostete. Und jetzt hatte ich meinen Job verloren.
»Wie lange bist du schon hier?«
»Seit gestern, die Gefechte gingen los, als ich gerade angekommen war.«
Die Kinder, die im Gras miteinander gerungen hatten, aßen inzwischen aus einer Schale, die ihre Mutter ihnen hingestellt hatte, die ihnen jetzt beim Essen zusah. Sie sah müde aus, das Haar war verknotet; sie hatte sich ihr schmuddeliges, weißes Gewand bis zu den Hüften aufgerollt, damit es nicht über das schlammige Gras schleifte. Dadurch waren ihre Waden entblößt, die dick und stämmig und von den Knöcheln nicht zu unterscheiden waren.
»Ich hab mir Sorgen um dich gemacht.«
Ich fühlte mich ausgelaugt. Ich schämte mich für meinen Ausbruch.
Ich versuchte zu scherzen, als ich sah, wie niedergeschlagen sie aussah.
»Hey, vergiss nicht, ich hab das Glück gepachtet. Mir passiert nichts.«
»Habt ihr die Frau gefunden?«
»Welche Frau?«
»Die Weiße, nach der ihr gesucht habt.«
»Nein.«
»Ich hab deinen Freund da drüben getroffen. Zaq. Was hat er denn?«
»Es geht ihm nicht gut. Er wird sterben.«
»Wirklich?«
»Das sagt der Arzt.«
»Und was willst du machen?«
»Ein Boot auftreiben und ihn nach Port Harcourt schaffen. Sie müssen die Verwundeten ohnehin bald evakuieren.«
Ich blieb die ganze Nacht neben Zaq sitzen. Boma hatte dicht neben uns ihr Umschlagtuch ausgebreitet und sich darauf zusammengerollt. Sie war sofort eingeschlafen, den Kopf auf einem Arm, das Gesicht vom Schein eines Feuers erhellt, das irgendjemand nicht weit entfernt entfacht hatte, schön. Ich lauschte dem ängstlichen Murmeln der Männer, die in ihren weißen Gewändern vornübergebeugt um das Feuer saßen. Manchmal sah einer auf und starrte mich an und ich starrte zurück, viele Fragen im Gesicht, auf die ich aber nur schweigendes Kopfschütteln zur Antwort bekam. Manch einer schreckte vor mir zurück, als wäre ich ein Vernehmungsbeamter, der seine Folterinstrumente ausgepackt hatte. Aus dem Frauenbereich drangen die Schreie und das Schluchzen der Kinder herüber, vom Wasser her war das Knirschen der Soldatenstiefel auf dem harten Kies des Strands zu vernehmen. Ich schaute zu, wie hell das Feuer loderte und dann erstarb. Ich war erschöpft, konnte aber nicht schlafen. Stattdessen dachte ich an die vielen Unterhaltungen zurück, die wir geführt hatten, hier, auf dieser Insel.
Zaq hatte mich einmal gefragt:
»Welche Bücher hast du gelesen, Rufus?«
Ich zählte einige Bücher über Journalismus auf, aber er schüttelte ungeduldig den Kopf.
»Du musst irgendwann ein Jahr aussteigen, bevor du alt und müde bist und die Verantwortung dich auffrisst. Fahr irgendwohin und lies. Lies alle wichtigen Bücher. Bilde dich, dann siehst du die Welt in anderem Licht.«
Das war an dem Tag, an dem wir nachts das leere Grab geöffnet hatten. Von der Aufregung erschöpft, hatten wir uns schlafen gelegt und deshalb vielleicht nicht mitbekommen, als sie am nächsten Morgen die Tür aufstießen. Sie kamen sehr früh. Wir hörten sie nicht hereinkommen. Mich weckte die Sonne im Gesicht. Es war ein hauchdünner Strahl, der sich durch einen Riss in der Tür drängte und sein Licht direkt auf mein Gesicht richtete. Ich schlug die Augen auf; dann, als ich die drei Männer ernst im Türrahmen stehen sah, setzte ich mich auf.
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