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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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Gesicht ab.
    »Sieh mal, du hast gehört, was ich ihm erzählt habe. Wir sind neutrale Journalisten. Wir wollen lediglich wissen, wo sich die Frau befindet und ob sie noch lebt.«
    Er murmelte etwas, seine Stimme klang wie ein Schluchzen. Ich beugte mich näher zu ihm.
    »Was?«
    Jetzt wandte er sich mir zu, und selbst in dieser Dunkelheit konnte ich erkennen, wie jung er war – zwischen fünfzehn und zwanzig. Sein Gesicht war glatt, bartlos.
    »Er heißt Gabriel. Er war schon mindestens zwei Tage vor uns hier.«
    Die Stimme gehörte einem der Gesichter, die sich um Henshaw geschart hatten – möglicherweise dem, der Taiga hieß.
    »Gabriel, ich heiße Rufus. Weißt du irgendetwas über die Frau? Wir haben das Gefecht mit den Soldaten gesehen – warst du dabei? Hast du gehört, dass sich jemand von deinen Freunden darüber unterhalten hat? Wir haben die Leichen gesehen. Warst du auch dort? Hat man dich gefangen oder hast du dich ergeben?«
    »Hör mal, Mann, hör auf zu wimmern wie ein Mädchen und rede. Rede endlich! Taiga, bring ihn zum Reden!«
    Die Drohung wirkte. Zum ersten Mal nickte der Junge anstatt den Kopf zu schütteln. Er hob den Kopf und schaute mir in die Augen, und dann sprudelten die Worte aus ihm heraus. Er war dabei, bei dem Gefecht. Doch danach sagte er nichts mehr, und als ich ihn mit weiteren Fragen bombardierte, sah er trotzig von mir zu Taiga.
    »Warum findet ihr es nicht heraus, wenn ihr doch Reporter seid?«
    Ich kroch wieder dahin zurück, wo Zaq lag und streckte mich neben ihm aus. Ich hatte nicht das Gefühl, als hätte ich viele Informationen bekommen. Bis jetzt hatte ich noch nichts Neues über die Frau herausgefunden. War sie geflohen? Ich hoffte es nicht, weil sie allein da draußen in den Sümpfen keine Überlebenschance hatte: Zu allererst wäre ihre Haut ihre größte Feindin, wie ein Blitz in einer finsteren Nacht würde sie ihre Gegenwart verraten, wohin sie auch ging, und dann war sie vielleicht dem einen Entführer entkommen, nur um einem anderen in die Hände zu fallen.
    Gegen Morgen, als sich ein dünner Lichtstrahl durch die unzähligen porengleichen Öffnungen im Strohdach bohrte, kam Henshaw zu mir herübergekrochen und schüttelte mich, bis ich erwachte. Ich setzte mich neben ihm auf und unsere Schultern berührten sich. Draußen ertönte die Signaltrompete.
    »Ich weiß genau, was sie dort draußen machen: In diesem Augenblick treten sie an, die Soldaten, in einer Reihe, Schulter an Schulter, alle zwanzig, ein Sergeant, zwei Corporals und die einfachen Soldaten, alle stehen stramm, und er wird ihnen sagen, warum sie die Rebellen hassen müssen. Weshalb sie kämpfen müssen: damit das Land sicher bleibt und ungeteilt. Das dauert zehn Minuten. Ich bin jetzt seit vier Tagen hier und weiß ganz genau, was sie in jeder einzelnen Minute des Tages machen. Ich kann dir sagen, was sie essen, was sie trinken, wer den wahnsinnigen Patriotismus des Majors satt hat und einfach nur nach Hause will. Wir werden sie überdauern. Mehr brauchen wir gar nicht zu machen. Fest sitzen bleiben. Warten. Immerhin gehört uns das Land.«
    Er hielt inne und schloss die Augen. Die restlichen Gesichter starrten ihn an, doch mit den Ohren waren sie bei etwas weiter entferntem, irgendwo in der Nähe der Stelle, an der die Signaltrompete erklungen war, und warteten. Und tatsächlich war der ferne Klang einer Stimme zu hören, fest und autoritär. Zu fern, um die Worte ausmachen zu können. Nach gefühlten zehn Minuten sprach er weiter.
    »Jetzt schreitet er die Reihen ab, legt hier einem die Hand auf die Schulter, tadelt da einen wegen eines Schmierflecks auf dem Stiefel – stell dir vor, dass hier im Busch ein Soldat wegen eines Flecks gerügt wird … und jetzt lässt er sie wegtreten. Fünf kommen hierher, die Gewehre fest in beiden Händen, sie trotten heran, und jetzt sind sie da.«
    Schritte endeten vor der Hütte, und Zaq und ich warteten ab, was als nächstes geschehen würde. Die Tür wurde aufgestoßen und, inmitten eines morgendlichen Sonnenlichtschauers, traten zwei Soldaten ein. Die anderen warteten draußen.
    »Oya, hoch mit euch. In Reihe antreten. Und nach draußen.«
    Es war der längste, der sprach. Sie traten oder schlugen die Gefangenen nicht, sie standen einfach da, die Gewehre im Anschlag, und warteten, dass sich die Männer in einer Reihe aufbauten.

15.
    Der Major winkte zum Küstenstreifen hinüber, dem wir uns näherten, aber seine Stimme wurde vom Dröhnen des Hubschraubers

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