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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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von Millionen Gedanken tosend. Meine Arbeitsstelle war nicht die beste, die man sich wünschen konnte – ich war überzeugt, dass mir größere Anerkennung und Ermutigung für die Mühen und den Enthusiasmus zustanden, die ich investierte – aber ich hatte keine andere, und deshalb wollte ich sie auf keinen Fall verlieren. Und die einzige Möglichkeit, die Arbeit zu behalten, bestand darin, so schnell wie möglich im Büro aufzutauchen. Und auf einmal bemerkte ich das weiße Gewand, das über Zaqs Matte an einem Nagel hing. Er hatte es noch nicht zurückgegeben. Ich stellte mir vor, ich trüge es, wäre als Glaubensanhänger getarnt und könnte unbemerkt in den Wald und auf den Pfad durch die Bäume entkommen, sah mich am Ufer stehen und auf die nächste Fähre warten, auf ein Fischerboot, auf irgendetwas, das mich nach Port Harcourt brächte. Zaq schaute neugierig auf, als ich das Gewand über den Kopf gleiten ließ.
    »Bin gleich zurück.«
    Zögernd trat ich hinaus. Es schien aber alles so wie immer. Frauen und Männer in ihren Gewändern kamen und gingen, und hinter den Bäumen standen auch keine Wachen, die unsere Tür beobachteten. Vielleicht funktionierte meine Tarnung oder Naman glaubte vielleicht, dass seine Warnung streng genug gewesen war, uns von einer Flucht abzuhalten. Unbemerkt schlüpfte ich in den Wald und lief schnell den Pfad zum Ufer hinüber, den Kopf gesenkt, entschlossen. Ich konnte aber schon von Weitem erkennen, dass der sonst so geschäftige Uferbereich heute verlassen dalag. Wo waren die Fischer mit ihren langen, schmalen Booten, wie sie hinausfuhren oder heimkehrten, die Jutenetze zu Füßen und die groben Ruder in den Händen? Und wo waren die Frauen, die darauf warteten, frischen Fisch zu kaufen, und sich mit hoch erhobenen Stimmen untereinander und mit den Fischern unterhielten, im einen Augenblick stichelten und hänselten, im nächsten flirteten, zu jeder Zeit aber feilschten? Keine Fähre wartete darauf, Reisende nach Port Harcourt und zu den Dutzenden winzigen Inseln zu bringen, die die endlosen Wassermassen fleckten, die uns inzwischen so Furcht einflößend und feindselig schienen. Ich war eine einsame Gestalt, die am Strand spazieren ging und sich umschaute, und als ich es schließlich müde wurde, kehrte ich um und machte mich auf den Weg ins Dorf. Mir war klar geworden, dass ich einen Verbündeten in diesem feindlichen Lager brauchte, jemanden, der mir sagen konnte, wie ernst es die Ältesten damit meinten, uns hier einzusperren, und wie lange die Haft dauern konnte. Gloria.
    Das Mietshaus befand sich nicht weit vom Ufer entfernt. Vor dem Eingang standen zwei Frauen. Die eine hielt einen Plastikeimer in der Hand, die andere ein Baby im Arm. Als ich näher kam, traten sie zur Seite, ohne ihre atemlose Unterhaltung zu unterbrechen. Bis jetzt klappte es mit meiner Verkleidung. Glorias Tür aber war mit einem großen Yale-Vorhängeschloss versperrt.
    Als ich zurückkam, lag Zaq immer noch auf dem Rücken und starrte an die Decke.
    »Wir kommen hier nicht weg. Keine Boote. Weder auslaufende noch anlandende, und alle im Dorf sind zuhause. Nichts geht.«
    »Ruh dich aus. Spar deine Kräfte.«
    »Aber hier sitzen wir in der Falle. Die könnten uns tagelang hier festhalten, wochenlang …«
    »Da können wir nichts machen, also müssen wir abwarten. Schon deine Kräfte.«
    Ich setzte mich auf meine Matte und starrte zur offenen Tür hinaus. Mittags kamen zwei Frauen herein und servierten uns ein Essen, mieden aber unsere Blicke und wichen unseren Fragen aus. Bei Sonnenuntergang kamen sie mit dem Abendessen wieder. Mir war der Appetit vergangen. Ich sah Zaq zu, der den gekochten
Yam
in Öl mit Genuss aß. Sobald es dunkel geworden war, schlüpfte ich wieder hinaus. Bestimmt hatte sie inzwischen von unserer Lage erfahren. Warum hatte Gloria nicht versucht, sich mit uns in Verbindung zu setzen, warum hatte sie uns keine Nachricht zukommen lassen? Vielleicht hatte man ihr nahegelegt, sich von uns fernzuhalten. Ich trat unter die Bäume, schritt schnell aus, rannte fast, hatte den Wald bald hinter mir gelassen und ging ein weiteres Mal in das Mietshaus. Fast erwartete ich, dass die zwei tratschenden Frauen immer noch vor dem Eingang standen, aber die Stelle, an der sie gestanden hatten, war jetzt verwaist, die Eingangstür weit offen. Ich trat ein. Mit einem Mal erstarb der Wind, als hätte man einen Schalter umgelegt und ihn ausgeschaltet. Glorias Tür war immer noch verriegelt. Ich

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