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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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dasselbe Radio neben sich, und irgendwo in einem fiktiven Hinterzimmer konnte ich die Frauen und Kinder reden und lachen hören. Nur, dass diesmal Zaq nicht dabei und ich es war, der so niedergedrückt und zusammengesackt dasaß wie Zaq an jenem Tag, und zudem allein. Und der Alte, Tamuno und sein Sohn, wo waren sie?
    »Sie sind sicher wieder zurückgekommen. Es geht ihnen gut. Sie sind irgendwo da draußen.«
    »Gut, das zu hören.«
    »Und wo ist dein Freund Zaq?«
    »Ich musste ihn auf Irikefe lassen. Es geht ihm nicht gut.«
    »Du siehst auch nicht gerade gut aus, Reporter.«
    »Das wird schon wieder. Ich bin auf dem Weg nach Port Harcourt und dort werde ich zum Arzt gehen. Und Sie, Sie sind also wieder beim Umzug?«
    »Ja, dort konnten wir nicht länger bleiben. Meine Leute haben Angst, die Gewalt rückt mit jedem Tag näher. Wir haben von einem Ort nicht allzu weit von Port Harcourt gehört. Die Leute dort sind freundlich, die meisten sind Flüchtlinge wie wir. Meine Leute finden vielleicht in Port Harcourt irgendeine Arbeit.«
    Seine Stimme klang nach Hoffnung, aber seine Augen blieben pessimistisch, umwölkt. Schritt für Schritt zog das Dorf an die große Stadt heran, die es früher oder später verschlucken, die Menschen in alle Winde verstreuen würde wie Passagiere, die aus einem Bus aussteigen und im Verkehr auf den Straßen der großen Stadt aufgehen. Er seufzte.
    »Du bist wegen der Weißen hier, oder? Möchtest du sie jetzt sehen?«
    »Wenn ich darf.«
    So sollte ich zu guter Letzt Isabel Floode begegnen und hatte nicht einmal einen Stift oder einen Notizblock oder meinen Fotoapparat dabei. Während ich Chief Ibiram hinaus in die Hitze folgte, versuchte ich, meine Nervosität in den Griff zu bekommen. Sie befand sich allein in einem Zelt, saß auf etwas, das wie ein zusammengefaltetes Trampolin aussah; neben ihr stand eine halbbedeckte Schüssel mit einer zur Hälfte gegessenen Mahlzeit darin. Durch den Eingangsschlitz starrte sie hinüber zu den Bäumen und schien nicht im Mindesten überrascht, uns zu sehen; vielleicht hatten ihre jüngsten Erlebnisse ihre Fähigkeit, überrascht zu sein, erschöpft – was ich gut nachvollziehen konnte. Nun schaute sie mit stumpfem, in sich gekehrtem Gesichtsausdruck auf und wartete darauf, dass wir sprachen.
    »Das ist Rufus. Er ist Journalist. Er wollte Sie sehen.«
    Als die Bezeichnung Journalist fiel, trat ein Hauch Interesse in ihre Augen. Chief Ibiram, der seine Aufgabe als erledigt betrachtete, nickte mir zu, drehte sich um und ließ uns allein. Jetzt fiel mir auf, wie dünn sie aussah. Man hatte ihr die Haare abgesäbelt und die schartigen Fransen hingen ihr unordentlich über die Ohren. Eine alte rote Bluse, die ihr nicht zu gehören schien, hing ihr auf den Schultern, und die Schlüsselbeine traten hervor und dehnten sich unter der Haut. Ihr Gesicht war zerkratzt; die Haut war immer noch ein wenig von dem Zeug verfärbt, das sie zur Tarnung ihres Gesichts verwendet hatte, als sie vor den Entführern floh. Doch es war ihr Blick, in dem ihre Lage am deutlichsten zum Ausdruck kam: Er war leer, glanzlos, und selbst wenn sie einen direkt ansah, blieb er stumpf, drang nie unter die Oberfläche. Sie war ungefähr vierzig, doch sah sie im Augenblick zehn Jahre älter aus.
    »Ich heiße Rufus. Ich bin vom
Reporter

    »Hallo. Ich bin Isabel Floode.«
    »Ja. Mrs. Floode, Ihr Mann hat mich … uns … geschickt. Mich und einen Freund, auch wenn ich jetzt allein hier bin. Wir haben über zwei Wochen nach Ihnen gesucht.«
    »James hat Sie geschickt?«
    »Ja. Er hat uns geschickt, damit wir in Erfahrung bringen, ob Sie noch am Leben sind und ob es Ihnen gut geht, und damit wir, wenn möglich, das Lösegeld verhandeln … aber jetzt sind Sie ja frei …«
    »Ja, ja. Ich bin frei.«
    Mir fiel auf, dass ihre Aufmerksamkeit schwankte. Sie hatte den Blick immer noch auf den schmalen Schlitz geheftet, durch den ein Lichtstrahl in das Zelt fiel, und ich fragte mich, was sie da draußen so fesselte, oder ob sie erwartete, dass irgendetwas von draußen herein drang. Es war mir peinlich, und ich wusste nicht, wie ich mit ihr umgehen, was ich sagen oder fragen sollte. Ich hatte mir immer eingebildet, dass sie, wenn ich ihr begegnete, von bewaffneten Rebellen umringt sein würde, und hatte immer angenommen, dass Zaq bei mir sein und auch die Fragen stellen würde; ich hatte mir nicht in meinen kühnsten Träumen vorgestellt, dass ich selbst weniger als einen Meter von ihr

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