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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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entfernt in einem Zelt am Fluss säße und die Last der Konversation auf meinen Schultern lastete. Aber ich war Reporter, und das war etwas, das Reporter machten – improvisieren, selbstbewusst aussehen und selbstsicher.
    »Mr. Floode wollte am liebsten selbst hier sitzen, aber die Sicherheit …«
    Sie antwortete nicht und starrte weiter auf dieselbe Stelle.
    »Ich weiß, dass Sie müde sind; wenn Sie sich lieber ausruhen wollen …«
    Da drehte sie sich zu mir um und ich erkannte, wie sehr sie meine unerwartete Bemerkung überrascht hatte. Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein. Wir können reden. Was möchten Sie wissen?«
    »Nun, wie haben Sie es gemacht? Wie haben Sie es geschafft zu fliehen?«
    »Das war gar nicht so schwer. Salomon gelang es, den Wachtposten zu überwältigen. Er knallte ihm einen Stein an den Kopf und wir schlichen uns davon. Ich nehme an, dass sie nicht damit gerechnet hatten, dass wir so etwas Verrücktes versuchen würden.«
    »Aha, Salomon, warum hat er Ihnen zur Flucht verholfen? Er hat sie doch überhaupt erst entführt, oder?«
    »Das ist komplizierter.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Er hat mich nicht richtig entführt.«
    »Hat er nicht? Aber die Polizei fahndet nach ihm. Er ist ihr Hauptverdächtiger.«
    »Nun, Sie müssen Salomon selbst nach den Einzelheiten dessen fragen, was sich an jenem Tag zugetragen hat. Er ist irgendwo da draußen. Ich kann Ihnen nur sagen, was ich weiß.«
    »Okay. Das ist in Ordnung. Bitte erzählen Sie weiter, Mrs. Floode.«
    »Entschuldigung … ich wollte Sie nicht anblaffen, aber alles ist so … ich war überzeugt, dort sterben zu müssen, wissen Sie. Ich kann immer noch nicht so recht glauben, dass ich jetzt hier bin, beinahe in Sicherheit und auf dem Weg nach Port Harcourt. Als ich beschloss, in dieses Land zu reisen, hatte ich nicht im Mindesten daran gedacht, dass ich entführt werden könnte. Natürlich hat man mir von den Risiken erzählt, denen man in Nigeria ausgesetzt ist, in Port Harcourt. In der Botschaft haben sie mir alle Zeitungsausschnitte gezeigt, in denen von verschleppten Ausländern die Rede war, aber dafür habe ich mich nicht besonders interessiert. Ich kam hierher, um meine Ehe zu retten.«
    Sie hielt inne und sah mich an, aber ihr Blick war immer noch ausdruckslos. Irgendwo hatte ich gelesen, dass sie Lehrerin war – kann auch sein, dass ihr Mann es mir gesagt hatte – und ihr Blick bewirkte, dass ich mir wie ein Schüler vorkam, der versagt hatte und nun sein Urteil erwartete.
    »Rufus, ich erzähle Ihnen das, damit alles in den richtigen Zusammenhang kommt. Ich weiß, dass Sie eine Menge riskiert haben, um hierher zu gelangen, und deshalb verdienen Sie es, alles zu erfahren. Vielleicht hat Ihnen mein Mann schon das Eine oder Andere erzählt, aber das ist nicht so wichtig. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie Ihr Urteilsvermögen benutzen um zu entscheiden, was Sie davon drucken können und was Sie weglassen müssen.«
    Ich nickte. Sie wandte sich ab und fuhr in ihrer Geschichte fort.
    Sie hatte Floode an der Universität kennengelernt. Er studierte im letzten Jahr, sie war ein Jahr darunter. Ein Jahr nach ihrem Abschluss hatten sie geheiratet. Die ersten Jahre waren glücklich. Er arbeitete für ein Londoner Chemieunternehmen. Dann aber bekam er seine gegenwärtige Stelle, und damit begann sich alles zu ändern. Er war ein begabter Ölingenieur und seine Fähigkeiten waren überall gefragt. Er begann viel herumzureisen und hatte in den vergangenen drei Jahren in fünf verschiedenen Ländern gelebt: Hong Kong, Indonesien, Kanada, Niederlande und jetzt Nigeria. Zunächst hatte sie ihn glücklich in jedes neue Land begleitet, doch nach Kanada hatte sie mit einem Mal das Interesse verloren. Warum all das auf sich nehmen, nur um dann doch nur zuhause vor dem Fernseher zu sitzen oder einkaufen zu gehen und ihn nie vor dem späten Abend zu Gesicht zu bekommen? Als er dann in die Niederlande versetzt wurde, hatten sie entschieden, dass es das Beste wäre, wenn sie bei seiner Mutter in Newcastle bliebe. Sechs Monate darauf war er aus den Niederlanden schon wieder raus und auf dem Weg nach Nigeria. Wenn sie ihn fragte, ob er glücklich war, so wie die Dinge liefen, oder ob er sich vielleicht, ihrer Ehe zuliebe, eine andere berufliche Laufbahn vorstellen könnte, hatte er erwidert, dass Nigeria lediglich für zwei Jahre angesetzt war und er danach seinen Abschied nehmen wollte. Der gefährlichen Lage wegen zahlte man ihm beträchtliche Summen.

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