Öl auf Wasser - Roman
Aber dann lernte sie jemand anderen kennen. Es war nichts Ernstes und tatsächlich war auch nichts geschehen, aber sie fing an nachzudenken.
»Mir wurde klar, wie einsam ich die ganze Zeit gewesen war. Man konnte ja nicht Ehe nennen, was wir führten, James und ich. Zu Anfang haben wir täglich miteinander telefoniert, doch dann vergingen mitunter viele Tage ohne ein Wort von ihm. Er behauptete immer, dass die Infrastruktur in Nigeria einfach nur schrecklich war. Naja, und dann hatte ich eine tolle Idee. Ich würde ein Kind bekommen. Ich wollte zu einem Überraschungsbesuch nach Nigeria fliegen, schwanger werden, und alles käme in Ordnung.«
Zu Anfang schien er sich zu freuen, sie zu sehen, und kam jeden Abend zeitig von der Arbeit nach Hause; es regnete Einladungen zu Cocktails und Gartenpartys von anderen Familien, sie reisten nach Lagos und Abuja – und abends saßen sie draußen auf der Veranda mit Blick auf das Meer in der Ferne und aßen, während die Meeresbrise ihnen Erfrischung verschaffte. Doch dann wurde plötzlich alles anders. In seinem Büro ging eine Bombe hoch und am darauf folgenden Tag wurde ein italienischer Arbeiter entführt. Danach kam er immer erst spät nach Hause, sagte, dass im Büro alle durchdrehten und er die ganze Zeit vor Ort sein musste. Nachdem sie einen Monat lang gewartet hatte, dass sich die Dinge wieder änderten, in den Club gegangen war, um mit einigen anderen mitgereisten Ehefrauen Tennis zu spielen, oder allein unter dem Schirm am Schwimmbecken ihren Sherry geschlürft hatte, war ihr klar geworden, dass es aus war und sich die Dinge nicht ändern würden.
»Als ich ihm verzweifelt von meiner Absicht erzählte, ein Kind zu bekommen, erwiderte er, dass das nicht zur Debatte stünde. Und außerdem erzählte er mir, dass er mit jemand anderem zusammen war. Er sagte mir nicht mit wem, und ich nahm an, dass es sich um eine von den vielen Frauen aus dem Ausland handelte, die ich immer im Club sah. Er teilte mir mit, dass er die Scheidung wollte.«
Ich nickte und achtete darauf, dass ich sie freundlich und interessiert ansah, verglich aber, was sie mir erzählte mit dem, was ihr Mann mir erzählt hatte. Ich bemühte mich, meine Aufregung zu unterdrücken: Hier bekam ich einen richtigen Knüller geliefert, und auch wenn ich weder Stift noch Bandgerät hatte, zeichnete ich doch jedes Wort auf, jede Veränderung in ihrem Tonfall.
»Naja, er gab zu, dass die Affäre schon eine Weile ging und … dass sie schwanger war. Sie können sich vorstellen, wie ich mich fühlte, was das für ein Schock war. Es war, als hätte sich eine donnernde Wolke in den Raum geschoben, die alles andere verdunkelte. Ich sah nichts mehr. Ich musste allein sein, um nachdenken zu können. Es war spät abends und ich kannte mich nicht besonders gut aus. Salomon, der Fahrer, fuhr mich immer herum, aber das kümmerte mich nicht. Ich nahm das Auto und fuhr zum Club. Ich hatte vor, am nächsten Morgen nach London zurückzufliegen.«
Es hatte sie sehr überrascht, dass Salomon sie dort suchte. Zuerst hatte sie geglaubt, dass er sie nach Hause fahren wollte, doch dann fiel ihr auf, dass er seine schwarzblaue Uniform nicht trug.
»Hallo, Solomon …«
»Salomon.«
Ihr wurde klar, dass sie ihn immer Solomon genannt und er sie bis jetzt nicht ein einziges Mal berichtigt hatte.
»Oh, tut mir leid.«
»Schon in Ordnung. Kein Problem.«
»Hat James Sie geschickt?«
»Nein, Madam. Ich bin hier, weil ich mit Ihnen über eine ernste Sache reden muss.«
Er sah anders aus als sonst, und er klang auch anders. Er trug ein Sakko, das ihm um die Schultern ein bisschen zu eng war und ihm einen formelleren Anstrich verlieh, als es mit der Uniform je geschah; und er sprach auch nicht das übliche Pidgin, das ihr so unangenehm war, weil man ihr immer erklären musste, was gesagt worden war. Heute sprach er ein grammatikalisch fehlerfreies Englisch und selbst sein Akzent klang anders und war leicht zu verstehen. Später fand sie heraus, dass er einen Universitätsabschluss hatte und, wie viele junge Leute aus dem Delta, gezwungen gewesen war, eine Stelle weit unter seiner Qualifikation anzunehmen, während er darauf wartete, dass er einen dieser schwer erreichbaren Bürojobs bei einer Ölgesellschaft bekam. Sie gab ihm die Autoschlüssel und sie fuhren – sie hatte keine Ahnung, wohin, aber das machte ihr auch nichts aus. Irgendetwas sagte ihr, dass das, was sie zu hören bekäme, nicht besonders angenehm sein würde.
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