Öl auf Wasser - Roman
Während der Fahrt schwieg er, aber sie spürte, dass er sie im Rückspiegel beobachtete. Schließlich hielten sie vor einem Gebäude, das wie ein Autobahnmotel aussah.
»Krieg ich hier einen Drink?«
»Ja. Der Laden gehört meinem Onkel.«
»Gut. Dann nehme ich einen Whisky.«
Er führte sie in eine leere Bar und sie setzten sich in eine Ecke. Der Barkeeper schaute kurz zu ihnen hinüber und wandte sich dann wieder seiner Zeitschrift zu. Salomon ging an die Bar und kam mit ihrem Drink zurück.
»Danke. Trinken Sie nichts?«
»Nein, Madam. Alles in Ordnung.«
»Okay, worum geht’s?«
»Es geht um Koko.«
»Koko? Was ist mit Koko?«
Koko war das Hausmädchen. Sie kochte und putzte dreimal in der Woche.
»Koko ist meine Verlobte. Gestern hat sie mir gesagt, dass sie schwanger ist.«
Er sah niedergeschlagen aus und fühlte sich offensichtlich nicht wohl in seiner Haut. Steif und aufrecht hockte er auf der Stuhlkante, und wenn er sprach, wich er ihrem Blick aus.
»Na, gratuliere, Salomon, auch wenn mir nicht gerade nach Feiern zumute ist …«
»Nein, nicht von mir. Sie ist vom Oga schwanger.«
Sie empfand weder Wut noch Traurigkeit; diese Gefühle hatten sich schon am Abend zuvor erschöpft. Sie war lediglich überrascht, dass sie nicht fähig gewesen war herauszufinden, was sich direkt vor ihren Augen abspielte, und sie hatte Mitleid, nicht mit sich selbst, sondern mit Salomon.
»Lieben Sie sie?«
Er nickte, und die Bitterkeit stand ihm jetzt unverhüllt ins Gesicht geschrieben; er hatte die Mundwinkel verzogen und seine Augen wurden rot und wässrig.
»Ich liebe sie.«
»Es tut mir leid.«
»Es ist nicht fair. Wie kann Oga mir das antun? Ich habe ihn respektiert. Ich habe ihm vertraut, und er tut mir so etwas an. Warum? Ich will wissen warum, können Sie mir das bitte sagen?«
»Und ich hatte plötzlich das Gefühl, James nicht noch einmal begegnen zu können. Es ging einfach nicht. Ich trug Salomon auf, mich in irgendein gutes Hotel zu bringen, und er machte den Vorschlag, dass ich dort bleiben sollte, im Motel seines Onkels.«
»Und es hat Ihnen nichts ausgemacht, dort zu übernachten? So sehr haben Sie Salomon vertraut?«
»Muss ich wohl. Damals kannte ich ihn schon seit über einem halben Jahr … und es war ein gutes Motel, wirklich. Es war ganz sauber und, was noch wichtiger war, es war der allerletzte Ort, an dem James mich suchen würde.«
»Aber warum sind Sie nicht in den Club zurückgefahren?«
»Weil James dort als erstes nach mir gesucht hätte. Und ich wollte sie einfach nicht sehen, meine Genossinnen aus dem Ausland mit ihren unaufrichtigen Lächeln, die mich hinter dem Rücken auslachten. Ich wollte einfach nur allein sein … ich gab Salomon eine Nachricht für James mit. Ich wies ihn an, Salomon meine Sachen zu übergeben, teilte ihm mit, dass ich am nächsten Morgen abreiste und ihn anrufen würde, wenn ich in London angekommen wäre. Und …«
Eine Hand, die den Schlitz am Zelteingang teilte, unterbrach sie. Ein Gesicht lugte herein – es war Alali, das junge Mädchen, das, ein einziges Kleidungsstück in der Hand, in das Zelt trat. Isabel nahm es ihr ab – es war eine Bluse – und legte es neben sich auf die Matte. Sie lächelte zu dem Mädchen hoch, das ihr Lächeln erwiderte und aus dem Zelt schlüpfte.
Ich wartete darauf, dass sie ihre Erzählung an der Stelle wieder aufnahm, an der sie innegehalten hatte, und dabei kehrte meine Nervosität zurück. Sie hatte mir eine Menge erzählt und noch viel mehr blieb zu berichten, und was wäre, wenn sie nicht weitererzählen mochte – wie sollte ich sie überreden, ihre Geschichte zu beenden? Bis jetzt hatte ich erst die halbe Geschichte in der Tasche. Was sollte ich mit ihr anfangen, wenn ich die zweite Hälfte nicht bekam? Sie schloss die Augen und drückte eine Hand gegen die Stirn – es war offensichtlich, dass es ihr nicht gut ging.
»Mrs. Floode … ist Ihnen nicht gut? Wollen Sie sich ausruhen? Wir können später weitermachen …«
Sie nickte dankbar.
»Ja, bitte. Ich habe fürchterliche Kopfschmerzen …«
Ich ging. Es war ein weiter Weg bis nach Port Harcourt, und ich war mir sicher, dass es noch Gelegenheit geben würde, das Interview zu Ende zu bringen. Außerdem war ich ebenfalls erschöpft. Der anfängliche Energieschub, den ich gespürt hatte, als sie mir das Interview gewährte, verebbte. Vor dem Zelt stieß ich auf das Mädchen, das mich zu Tamuno und Michael brachte. Sie waren am Ufer, bis zu den
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