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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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Belohnung zu bekommen, geht es darum?«
    »Nein. Wir versuchen ihr nur zu helfen. Sie kam zu uns und hat uns gebeten …«
    »Sie kam also zu euch. Dann hättest du wissen müssen, was zu tun ist. Also sag mir, was hättest du tun sollen, als meine Gefangene geflohen war und bei dir auftauchte? Ich kann dich nicht hören! Lauter!«
    »Ich hätte zu dir kommen müssen. Es tut mir leid. Das wird nicht wieder vorkommen.«
    »Da hast du recht, das wird nicht wieder vorkommen. Um das sicher zu stellen, werde ich einen von euch mitnehmen. Nur so als Versicherung. Sobald wir sicher sein können, dass ihr uns nicht an die Regierungssoldaten verraten habt, lassen wir ihn frei. Du bestimmst, wen.«
    Ich bemerkte, dass Tamuno dichter an seinen Sohn heranrückte und ihm schützend den Arm um die Schulter legte; ich war mir sicher, dass Mütter hinter mir in den anderen Booten ebenfalls ihre Arme um ihre Kinder legten und Väter angsterfüllt die Köpfe senkten.
    »Chief, wir warten. Eins, zwei, drei …«
    Wieder ein Aufblitzen und der grobe Lärm des Gewehrfeuers, dem Stille folgte. Ich konnte mir Chief Ibiram in seinem Boot und die Millionen Dinge vorstellen, die ihm durch den Kopf schossen.
    »Gut, da niemand von sich aus mitkommen will, werden wir den Jungen hier mitnehmen.«
    Und wieder sprangen die beiden Männer ins Wasser und kamen auf unser Boot zu.
    »Neeeiiin! Abeg! Bitte! Neeiin!«
    Der Schrei kam vom Alten. Die Männer kamen auf unser Boot zu und er stürzte sich auf sie, als sie anfingen, Michael aus dem Boot zu zerren; die schwächlichen Arme hoben sich und fielen kraftlos auf die stattlichen Körper der Männer, aber er ließ nicht ab. Und seine Wut wühlte das Wasser auf. Der Junge klammerte sich an meinen Arm und schrie nach seinem Vater. Ich sah, wie ein Gewehr hochgehoben und auf den Kopf des Alten geschmettert wurde, sodass er zuerst gegen das Boot und dann ins Wasser sank. Langsam hob ich die Arme und stand auf. Mir ging das Bild durch den Kopf, wie der Junge stolz seinen Namen in den Sand gekritzelt hatte. Es schien erst gestern gewesen zu sein. In der Hoffnung, dass wir seinen Sohn mit nach Port Harcourt nehmen und ihm eine bessere Zukunft bieten würden, hatte der Alte uns tüchtig gedient, doch hatten wir stattdessen dafür gesorgt, dass er eingesperrt und mit Benzin geduscht wurde. Jetzt lag der Alte mit dem Gesicht nach oben im Wasser, und der Sohn wurde entführt.
    »Ich gehe mit. Nehmt mich. Lasst den Jungen in Ruhe.«
    Ich sprang ins Wasser und half Tamuno ins Boot. Dann packten die beiden Männer meine Arme und wir wateten zu ihrem Boot hinüber, in das sie mich hievten und mich neben Isabel und Salomon setzten.
    Sie waren die Herrscher der Wasserwege – sie kannten jede Biegung, jede Untiefe, jede Stromschnelle; wie oft erwartete ich, dass unser Boot in einen geheimnisvollen Umriss krachte, der plötzlich vor uns auftauchte – ein Baum, ein Felsen – aber unser Boot schwang mühelos herum, hinaus in die Dunkelheit und das offene Wasser, und die Männer ließen ihre Gewehre bellen, als trotzten sie Tod und Gefahr. Fünf Boote waren es, und jedes mit vier Mann besetzt, allesamt bewaffnet, alle darauf aus, bei der geringsten Gelegenheit eine Salve abzufeuern. Salomon und Isabel und ich fürchteten um unser nacktes Leben, während sich die Boote in die Finsternis fraßen. Ich hatte erwartet, dass man uns die Augen verbinden würde, aber sobald wir Chief Ibiram und die Seinen verlassen hatten, schenkte uns keiner mehr die geringste Beachtung.
    Es stellte sich heraus, dass unser Ziel viel näher lag, als ich angenommen hatte – wir brauchten nicht einmal eine halbe Stunde – und selbst in dieser Dunkelheit musste ich anerkennen, wie uneinnehmbar dieser Landungsstreifen war. Ein Granitmonolith erhob sich plötzlich aus dem Wasser, und erst als wir aus den Booten stiegen, entdeckte ich die winzigen Stufen, die man in den Fels geschlagen hatte; sie sahen aus, als wären sie nicht mehr als Griffstellen für Hände und Füße, waren aber in einem Zickzackbogen angelegt, der den Aufstieg leichter als erwartet machte, auch wenn er für jemanden, der sich noch nicht völlig vom Fieber erholt und außerdem Hunger hatte und von Gewehren, die ihn in den Rücken stießen, vorwärts getrieben wurde, und auch nicht wusste, was ihn erwartete, eine angsteinflößende Aufgabe blieb. Weitere Gewehrsalven und Schlachtrufe und Schreie verkündeten unsere Ankunft, doch befand sich das Lager offensichtlich im

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