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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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Tiefschlaf. Einige Feuer brannten und beleuchteten Behelfsunterstände und Zelte, und unter den Bäumen kamen plötzlich zwei Wachen hervor, deren Gegenwart nur durch die unvermeidlichen Zigaretten offenbar wurde, die ihnen zwischen den Lippen hingen. Salomon und ich wurden unter einem Baum zu Boden gestoßen, wohingegen man Isabel zu einer Gruppe Zelte führte. Obwohl man in unserer unmittelbaren Umgebung keinen einzigen Wachtposten ausmachen konnte, war mir doch klar, dass es sie gab; Schattenwesen, die uns beobachteten und warteten. Ich drehte mich zu meinem Leidensgenossen um, doch der rutschte an den Fuß des Baumes heran und lehnte sich mit dem Rücken an, den Kopf senkte er auf die Knie und es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass er weinte.
    »Salomon, ist alles in Ordnung?«
    Er antwortete nicht, und ich beschloss, ihn in Frieden weinen zu lassen. Ich konnte mir vorstellen, welche Ängste er ausstand. Immerhin hatte er der Frau geholfen zu fliehen und er wusste, dass ihn am Morgen eine schreckliche Bestrafung erwartete. Ich hoffte, dass er sich so weit gefangen haben würde, mir ein Interview geben zu können, bevor sie ihn holen kamen … bevor sie uns holen kamen. Mir war klar, dass mein Schicksal kaum besser als Salomons sein würde, wenn ich nicht bewies, dass ich Journalist war und den Rebellen mit meinen Artikeln von Nutzen sein konnte. Ich legte mich auf den Rücken und schloss die Augen, aber ich konnte nicht einschlafen.
    Am Morgen weckte mich ein Tritt in die Rippen. Ich setzte mich auf, hielt mir die schmerzende Seite und sah einen bewaffneten Mann vor mir stehen. Er sagte nichts, machte nur eine Bewegung mit dem Gewehr. Er wollte, dass ich aufstand. Ich tat es. Salomon war bereits munter und an seinen geschwollenen und blutunterlaufenen Augen konnte ich ablesen, dass er in der Nacht kaum geschlafen hatte.
    »Los.«
    Ein zweiter Bewaffneter erschien und ging durch die Lagermitte voran. Die Rebellen waren bereits auf und geschäftig. Männer und ein paar Frauen krochen aus Leinwandzelten; andere saßen oder standen in Gruppen unter den Bäumen, unterhielten sich und rauchten und reinigten ihre Gewehre. Sie schienen alle schwarz gekleidet; einige trugen Stirnbänder, andere Masken.
    »Nicht stehenbleiben.«
    Wir gingen weiter in das Lager hinein, entfernten uns immer mehr vom Fluss, und der Pfad verengte sich zusehends und die Bäume rückten dichter zusammen, und ich schaute mich unentwegt um, ob ich nicht Isabel oder Gloria entdeckte. Wir kamen an einer Gruppe vorbei, die um ein offenes Feuer stand, und als mir der Geruch des Fleisches, das sie brieten, in die Nase stieg, drohten die Beine unter mir nachzugeben. Ich hatte seit gestern nichts mehr gegessen. Wir kamen an einer anderen Gruppe vorüber, die sich im Kreis aufgestellt hatte und mit lauten, misstönenden Stimmen sang. Ein Schock durchfuhr mich, als ich das Lied als eines aus meinen lang vergangenen Tagen in der Sonntagsschule erkannte. In der Kreismitte stand ein groß gewachsener, grauhaariger Mann, der wie wild mit einer Bibel in der Luft herumfuchtelte, die Augen geschlossen hatte und den Gesang anführte. Unsere Begleiter brachten uns schließlich zu einer weiteren Gruppe, die sich unter einem kahlen Baum niedergelassen hatte, der mitten auf einer großen kreisförmigen Lichtung stand. Unter dem Baum saß bereits ein halbes Dutzend Leute, und alle sahen sie elend und verzweifelt aus. Mir fielen die beiden Rebellen auf, die nicht weit entfernt auf großen Steinbrocken saßen und die Gewehre neben sich ins Gras gelegt hatten.
    »Hinsetzen.«
    Ich war froh, mich setzen zu können, weil meine Beine mich kaum noch trugen. Als ich wieder zu Atem gekommen war, betrachtete ich die Männer um mich herum, und alle starrten mich an. Gefangene wie ich. Ich überlegte, ob sie wegen eines Lösegeldes festgehalten wurden oder beim Professor nur in Ungnade gefallen waren und ihre Strafe darin bestand, dass man sie hier im Freien festhielt. Als ich mich von ihren Gesichtern abwandte, fiel mir ein Pfad auf, der in ein dicht bewaldetes Gebiet führte, aus dem ich jetzt Stimmen zu mir herüberklingen hörte. Ich überlegte, ob das vielleicht eine Erweiterung des Lagers war und dort weitere Gefangene festgehalten wurden. Wir saßen stundenlang da, wir sahen die Schatten unter den Bäumen wandern und länger werden, und niemand kam, um mit uns zu reden. Wir sahen zu, wie das Lager seinen normalen Verrichtungen nachging. Ab und zu feuerte ein Rebell in

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