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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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nervöser, ihr Gesicht färbte sich rot und wurde von den Insektenstichen fleckig, und ihre Kleider waren schmutzig und zerrissen – sie gaben ihr eine Tarnjacke, damit sie sie anziehen konnte, wenn sie ihre Sachen wusch. Sie weinte immer öfter, und immer mehr Zeit verging, und zu guter Letzt gab Salomon nach. Er sagte ihr, dass sie versuchen würden zu fliehen, dass sie es aber sorgfältig planen müssten. Das Gute war, dass immer nur eine Wache bei ihnen war, und das, obwohl die allgemeine Sicherheitslage sehr angespannt war. Das lag wohl daran, dass es kaum vorstellbar war, dass sie einen Fluchtversuch unternahmen. Wo sollten sie auch hin?
    »Es würde nicht einfach werden. Wenn es uns gelang, aus dem Wald herauszukommen, mussten wir erst noch eins der Militärlager da draußen finden, und wenn wir keins fanden, mussten wir uns zu einem Dorf durchschlagen, das bereit war, uns aufzunehmen und das Militär oder ihren Mann zu benachrichtigen. Man würde uns hoffentlich helfen, wenn wir ihnen Geld versprachen. Mir war klar, dass uns die Menschen wahrscheinlich an den Professor verraten würden – sie fürchteten den Professor mehr als die Armee. Aber ich wollte nur noch weg. Genau wie sie.«
    »Wie haben Sie es angestellt?«
    »Eines Nachts, als das Lager fast völlig leer war, weil die meisten Männer zu einer Operation unterwegs waren, wie sie das immer tun. Ich war wie gewöhnlich bei ihr. Ich wusste, wo sie die Boote hatten, da drüben auf der anderen Seite, in einer Höhle. Da sind immer einige Boote; falls sie plötzlich von der Armee angegriffen werden, können sie mit diesen Booten fliehen. Und so zog sie in jener Nacht die Tarnjacke über und bedeckte die Haare und schwärzte sich das Gesicht ein bisschen, damit man sie nicht erkannte. Die Wache schlief immer gegen eins ein; ich nehme an, er glaubte nicht, dass wir je zu fliehen versuchen würden. Also warteten wir, bis ich sicher sein konnte, dass er eingeschlafen war, dann schlüpften wir hinaus. Wir hatten es fast bis zu den Booten geschafft, als uns direkt hinter mir jemand anrief. Ich überlegte nicht, ich warf mich einfach auf ihn, und er hatte zum Glück keine Gelegenheit zu schießen. Wir rangen miteinander und ich schlug ihm mit einem Stein den Schädel ein. Ich weiß nicht, ob er gestorben ist. Wir ruderten viele Stunden, bis wir in ein Dorf kamen, und das Glück war eine Zeitlang auf unserer Seite. Es waren gute Menschen. Sie hörten sich unsere Geschichte an, und dann halfen sie uns.«

21.
    Als ich am nächsten Morgen erwachte, kniete ein Mann neben mir und stieß mir die Gewehrmündung in die Seite. Schnell setzte ich mich auf, und der Mann erhob sich und trat zurück. Die anderen waren ebenfalls wach, nur Salomon war nirgends zu sehen. Nach unserem Interview hatte er sich von mir abgewandt und auf die Seite gedreht und war nicht einmal aufgestanden, als die Frauen, die uns schon einmal versorgt hatten, mit dem Abendessen kamen. Als ich ihm zurief, er solle essen kommen, hatte er abgelehnt, er hätte keinen Hunger. Jetzt winkte mir der Mann mit dem Gewehr zu und drehte sich um und marschierte auf die Bäume zu. Irgendwie war mir klar, dass man mich zum Professor brachte, und ich war bereit. Seit ich hier war, hatte ich es irgendwie geschafft, meine anfängliche Furcht und Nervosität zu überwinden und endlich an das zu glauben, was ich im Herzen immer schon als Wahrheit erkannt, doch nur zu meiner Beruhigung eingesetzt hatte: dass der Professor die Presse brauchte, und nach allem, was ich über ihn gehört hatte, war er alles andere als ein Wahnsinniger, der die Leute zum Spaß erschoss. Er war jemand mit Absichten, und alles, was ihm bei der Verfolgung seiner Ziele diente, behandelte er mit Respekt. Ich gehörte dazu, und je fester ich das glaubte und mich entsprechend verhielt, desto sicherer wäre ich.
    Der Professor lag in einer Hängematte zwischen zwei gekappten Mangobäumen, und als man mich ihm vorführte, sprang er sofort herunter. Ungefähr ein Dutzend Leute befanden sich bei ihm, sämtlich bewaffnet, alle den misstrauischen Blick auf mich gerichtet. Durch die Zweige konnte ich über uns die Sonne durch die Wolken im Osten brechen sehen. Der größte Teil des Lagers schlief noch.
    »He, Reporter, das mit deinem Freund tut mir leid.«
    »Mit meinem Freund?«
    »Dem Fahrer der Weißen. Haben sie es dir nicht erzählt? Er hat heute Morgen versucht zu fliehen. Das hat er schon einmal gemacht und er hat wohl geglaubt, es würde ihm

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