Öl-Connection
willst du hin?«
»Ich will zu Sambula, mein Freund ist bei ihr, Mr. McCracker.« Heßbach drehte sich im Kreis, aber er sah niemanden.
»Es gibt keinen McCracker. Hau ab!«
»Er hat mir gesagt, daß er mich hier erwartet. Bei Sambula.«
Der unsichtbare Sprecher zögerte. Heßbach wurde es heiß, er begann zu schwitzen. Angst? Verdammt, habe ich wirklich Angst? Hier können sie dich verschwinden lassen, als hättest du dich in Luft aufgelöst.
»Ich werde nachsehen«, sagte die dunkle Stimme. »Und wenn du gelogen hast, hilft kein Wegrennen mehr. Wie heißt du?«
»Lothar Heßbach.«
»Sieh an, ein Deutscher. Mein Großvater war Gefreiter bei den kaiserlichen Askaris. Aber das rettet dich auch nicht.«
Irgendwo klappte eine Tür. Heßbach setzte sich in einen der Rattansessel, knöpfte sein Hemd auf, wischte sich mit einem Taschentuch den kalten Angstschweiß von der Brust und wartete. Er wußte: Wenn McCracker ihm die falsche Adresse gegeben hatte, würde er die Maringo nicht nach Rotterdam fahren können, sondern im Krankenhaus von Monrovia landen.
Er zuckte zusammen, als hinter seinem Rücken die dunkle Stimme scharf die quälende Stille durchbrach. Mit einem Ruck fuhr er herum und sah einen kleinen, stämmigen Mann hinter sich stehen mit einem schmalen Kopf und einer auffallend hellbraunen Hautfarbe.
»Mitkommen!« sagte er. »Starr mich nicht so an. Ja, mein Vater war ein Deutscher. Er hat sich die Tochter meines Großvaters ins Bett geholt. Ein nach dem Krieg zurückgebliebener deutscher Feldwebel. Meine Mutter hat er nie geheiratet und wurde bei einer Stammesfehde erschlagen.«
»So hat jeder von uns sein Schicksal«, antwortete Heßbach heiser. Er sah die kalten Augen des Mannes und konnte sich vorstellen, daß hier ein Menschenleben nicht den geringsten Wert hatte.
»Ich hasse die Deutschen!« sagte der Mann, der sich Fatty nannte. Es war bestimmt nicht sein richtiger Name. »Zum Glück kommen nicht viele nach Liberia. Aber wer zu mir kommt und mit meinen Mädchen vögelt, verläßt Fatty's Corner als kranker Mann. Meine Mädchen sind alle verseucht.«
»Aids«, sagte Heßbach dumpf. Er spürte im Nacken so etwas wie eine Lähmung.
»Ich freue mich, daß es so etwas gibt.« Fattys Gesicht verzog sich zu einem angedeuteten Grinsen. »Ich nehme Rache an jedem Weißen, weil einer von ihnen meine Mutter mißbraucht und mich gezeugt hat.«
»McCracker ist auch ein Weißer!«
»Aber kein Deutscher!«
»Und Sambula hat auch Aids?!«
»Nein, sie ist sauber. Die einzige in meinem Stall. James ist mein Freund.« Er zeigte auf eine Tür neben der Theke. »Komm mit.«
Fatty ging voraus, und Heßbach folgte ihm mit einem beklemmenden Gefühl im Magen. Was habe ich alles schon gesehen, dachte er. Die dunklen Gassen am Dschunkenhafen von Kowloon, die elenden, endlosen Slums von Callao, die Papp- und Wellblechsiedlungen an den Hängen Rio de Janeiros, die Elendsviertel in Dschibuti, die riesige Kloake von Kalkutta, aber nirgendwo hatte ich ein solches Gefühl von Todesnähe wie in dieser verfluchten Bar in Monrovia.
Sie gingen einen kurzen dunklen Gang entlang, bogen um eine Ecke, stiegen eine ausgetretene Treppe hinauf und kamen in einen Flur, von dem links und rechts massive Türen zu zehn Zimmern führten. Fattys Puff. Auch hier herrschte völlige Stille; entweder schliefen die Mädchen und bereiteten sich auf die Nacht vor oder sie waren in der Stadt und bummelten. Ganz hinten, als Abschluß des Flures, war eine Tür, auf der ein Messingschild glänzte. PRIVAT, stand darauf. Fatty blieb stehen.
»Geh rein!« sagte er. »Was willst du trinken? Whisky, Wodka, Gin …«
»Danke. Nichts.«
Heßbach klopfte an die Tür, und als niemand antwortete, drückte er die Klinke herunter und trat ein.
Ein großer, heller Raum mit einem Blick auf einen Innengarten, ein Bett, ein geschnitzter Schrank, eine Bambusgarnitur mit geblümtem Bezug, ein Bambustisch, Blumen in bunt bemalten Keramiktöpfen an beiden Fenstern, in einer Ecke sogar eine Duschkabine, auf dem Dielenboden ein großer Flickenteppich, wie ihn die Eingeborenen im Hinterland zusammennähen.
McCracker saß, nur mit einem Slip bekleidet, auf der Bettkante, ein Muskelberg, dessen Brusthaare genau so rötlich schimmerten wie sein Kopf. Im Bett lag, mit einem Laken bis zum Hals zugedeckt, eine Mulattin mit zu dünnen Zöpfen geflochtenen, langen schwarzen Haaren. Sie war wirklich hübsch, ihre großen, schwarzen Augen sahen Heßbach neugierig an, und
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