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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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abhandengekommen war.
    So lernte Bunny immer mehr, seine ketzerischen Gedanken für sich zu behalten – die Theorien vom «Klassenkampf», die er von Paul und seinen Genossen übernahm, und die Gerüchte von einem Streik, von denen er im Ölarbeiterjournal gelesen hatte. Stattdessen ging er mit Dad zum Fischen, und sie taten, als seien sie am Busen von Mutter Natur noch genauso glücklich wie früher, obwohl Dad – traurig, aber wahr – zu schwer und ungelenk war, um mit großem Vergnügen über die Felsen zu klettern.
    2
    Bunny verbrachte die Osterferien in Paradise, und zufällig stattete in dieser Zeit auch Vernon Roscoe dem Gelände einen Besuch ab. Er hatte früher schon einmal vorbeigeschaut, aber da war Bunny nicht dort gewesen. Bisher hatten sie sich immer nur kurz und unter dem Druck der Geschäfte im Büro getroffen. Für Bunny bestand er aus einem mächtigen Kopf, einem mächtigen Körper und einer mächtigen Stimme. Dad sagte, «Verne» sei auch ein mächtig netter Kerl, aber davon hatte Bunny bisher noch nichts gemerkt, außer dass Mr Roscoe ihm auf die Schulter geklopft und ihn jovial «Jim junior» genannt hatte.
    Jetzt kam er also, und mit ihm kam zufällig auch ein Wüstenwind, ein spaßiges Zusammentreffen. Normalerweise war die Hitze in Paradise tagsüber erträglich, und die Nächte waren kühl und erfrischend; doch drei- bis viermal im Jahr wurde die Gegend von einem Wind aus der Wüste heimgesucht, und dann war es, als packte einen eine heiße Hand an der Gurgel. «Fünfundvierzig Grad im Schatten, nur gibt’s keinen Schatten», so beschrieben es die Ölarbeiter, während sie in der Sonne weiterschufteten und literweise Barleywasser 67 tranken. Das Schlimmste war, dass der heiße Wind die ganze Nacht hindurch weiterblies, und die Häuser, die sich wie Backöfen aufheizten, speicherten die Hitze drei, vier Tage lang.
    Der «Ölmagnat», wie die Zeitungen Vernon Roscoe nannten, fuhr in Angel City nach dem Dinner los und traf kurz vor Mitternacht ein. Dad und Bunny warteten auf der Veranda auf ihn; als er sie sah, warf er seine Stimme an, noch bevor er den Motor abstellte. «Hallo, Jim! Hallo, Jim junior! Herrgott, was tut ihr mir an! Menschenskind, Allmächtiger, so was von ’ner Hitze hab ich noch nie erlebt. Wird das morgen so weitergehn? Herrgott, ich glaub, ich hau wieder ab!»
    Er war ausgestiegen und kam den Weg herauf; sein Gesicht war rund wie der Mond, der seine Halbglatze beschien. Jackett und Hemd hatte er ausgezogen und trug nur noch ein rosa Seidenunterhemd; natürlich schwitzte er nicht, denn in dieser Wüstenhitze blieb man immer trocken. Wenn man an einer Tankstelle hielt und sich unter einen Schlauch stellte, bis man klatschnass war, blies der Wind binnen weniger Minuten alles trocken – bis auf das Fleckchen, auf dem man saß.
    «Hallo, Verne», sagte Dad, und Bunny sagte: «Wie geht’s, Mr Roscoe?» Vorsichtig griff er nach der Pranke des Magnaten, bevor der Magnat nach der seinen greifen konnte, denn sein gewaltiger Händedruck zerquetschte einem die Knochen. Er war einst in Oklahoma Viehtreiber gewesen, und es hieß, er habe dort einen mexikanischen Pferdedieb an beiden Händen so weit nach hinten gebogen, bis der zerbrach. Und so stark war er noch immer, trotz seiner Fettwülste.
    «Mir ist höllisch heiß», antwortete er auf Bunnys höfliche Frage. «Sag mal, Jim, meinst du, ich soll wirklich hierbleiben?»
    «Du musst bleiben», sagte Dad. «Ich mach mit der Erschließung des Bandy-Geländes erst weiter, wenn du einen Blick drauf geworfen hast. Wir setzen dich auf Eis.»
    «Ist mein Bier schon da? Hey, Kuno» – zu dem Japaner gewandt, der grinsend in der Tür stand. «Bring mir mein Bier! Bring mir einen ganzen Eimer voll – eine Wanne voll. Herrgott, ich hab auch welches im Auto mitgebracht, ich wollt kein Risiko eingehen. Hast du gehört, was Pete O’Reilly passiert ist? Der verdammte Narr hat versucht, mit einem Kasten Whiskey im Auto über die Grenze zu fahren. Hundert Dollar hat ihn der Liter gekostet, wie er drüben war! Allmächtiger, Jim, wie stehst du das bloß durch?»
    «Na ja, ich trink zum Beispiel Limonade statt Bier.» Diese Neuerung hatte Bunny seinem Vater aufgedrängt, und jetzt war Dad sehr stolz darauf.
    «Herrgott, dieses Blubberwasser kann mir gestohlen bleiben», sagte Verne, «Schaum gibt’s bei mir nur in der Badewanne. Sind Frauen in der Nähe, Jim?» Und Mr Roscoe schleuderte die Schuhe und die Hose ins Eck und setzte sich unter einen

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