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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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die alles auf Hochglanz polierten, und die Filipinos, die mit Tabletts voller Gläser hierhin und dorthin flitzten, waren wie aus dem Ei gepellt und hätten jedem Varieté Ehre gemacht. Die Gästeschar stieg erst in eine Barkasse und von dieser in mehrere Autos; man ließ sich zu einem Golfplatz chauffieren und anschließend in einen Country Club zum Lunch, dort tanzte man ein, zwei Stunden, sauste weiter an einen Badestrand, dann zu einem Tennisplatz und schließlich wieder zurück auf die «Sirene», um sich zum Dinner umzukleiden, wo es so vornehm zuging wie bei einem Botschaftsbankett. An Deck hingen bunte elektrische Lämpchen, ein Orchester spielte, und Freunde kamen in Barkassen herausgefahren und tanzten bis zum Morgengrauen, indes die Wellen leise gegen die Bordwand schwappten und das Lichtergefunkel entlang der Küste die Sterne verblassen ließ.
    Diese Leute unterhielten sich über das Aussehen, die Eigenarten und die famosen Erlebnisse ihrer Bekannten, und es war schwierig, ihrem Gespräch zu folgen, wenn man nicht dazugehörte. Sie hatten einen speziellen Jargon, und je unverständlicher sie für einen Außenseiter waren, desto witziger fanden sie sich selbst. Sie sprachen über Kleidung und den «letzten Schrei». Sie sprachen über ihre Schwarzhändler und welcher zuverlässig war. Die restliche Zeit sprachen sie darüber, wie man kleine Bälle über ein Feld schlug, über die Punktezahl von heute, gestern und vorgestern und über die jeweilige Fähigkeit verschiedener Asse in ihrer Disziplin. Würde sich der Tennischampion noch ein weiteres Jahr behaupten können? Wie würden die amerikanischen Golfspieler in England abschneiden? Käme die Polomannschaft aus Philadelphia, und würde sie den Pokal erringen? Wunderbare silberne und vergoldete Trophäen mit eingravierten Inschriften beförderten die Einbildung, bis sie schließlich im Ernst glaubten, das Schlagen kleiner Bälle über ein Feld sei von allergrößter Wichtigkeit.
    8
    Bunny saß an Deck dieses schwimmenden Herrenhauses und las in der Zeitung über die Hungersnot an der Wolga. In riesigen Gebieten hatte es Missernten gegeben, und die Bauern verhungerten langsam; sie aßen Gras und Wurzeln, aßen ihre toten Säuglinge, wanderten in Horden weiter und ließen ihre Leichen am Wegesrand zurück. Das beweise endgültig die Unzulänglichkeit des Kommunismus, meinte die Redaktion; und wenn Charlie Norman sich die Gelegenheit, Bunny zu hänseln, entgehen ließ, so nur deshalb, weil Charlie nie eine Zeitung las.
    Bunny hatte mit Harry Seager gesprochen und sah die Hungersnot in Russland mit anderen Augen. Sie war durch eine Dürre ausgelöst worden, nicht durch den Kommunismus. Hungersnöte hatte es immer gegeben, seit Anbeginn der Geschichte, und nie hatten sie als Beweis für die Unzulänglichkeit des Zarismus gegolten. Jetzt war die Lage besonders schlimm, weil die Eisenbahn ausfiel. Aber wer dies dem Kommunismus anlastete, übersah die Tatsache, dass die Eisenbahn schon vor der Revolution nicht mehr richtig funktioniert hatte und unter der Sowjetregierung der Belastung von drei Jahren Bürgerkrieg und Invasionen an sechsundzwanzig Fronten ausgesetzt gewesen war. Dieselben Zeitungen, die diese Invasionen heraufbeschworen und Beifall geklatscht hatten, als ihnen mit Hunderten von Millionen Dollar Vorschub geleistet wurde, warfen jetzt den Bolschewiken vor, sie seien außerstande, mit einer Hungersnot fertigzuwerden!
    Jeder wird begreifen, dass ein junger Mann mit solchen Gedanken nicht zu dieser verspielten Clique passte. Er versuchte nach Kräften, sich anzupassen, aber sie merkten, dass er anders war, und bald fing Charlies Mutter an, sich neben ihn zu setzen. «Bunny», sagte sie – denn in diesen Kreisen war man Bunny oder Bertie oder Baby oder Beauty, sobald man einmal neun Löcher gespielt oder einen Schluck aus dem Flachmann eines anderen getrunken hatte – «Bunny, Sie sind doch an der Universität, oder? Und Sie lesen doch bestimmt so einiges.»
    «Leider nicht sehr viel.»
    «Können Sie mir nicht sagen, wie man Charlie zum Lesen bringt? Ich kann ihn nicht dazu bewegen, etwas anderes zu tun als zu spielen und sich zu verlieben.»
    Bunny wollte schon sagen: «Versuchen Sie es mal damit, ihm das Taschengeld zu streichen», aber das wäre eine jener «Scheußlichkeiten» gewesen, deretwegen Bertie ihn immer maßregelte. Also sagte er, ganz Diplomat oder Politiker: «Das ist allerdings ein Problem!»
    «Ein großes Problem sind für mich

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