Öl!
Zwists mit dem Rest der Familie kaum noch ein Wort wechselten.
Sie gingen in den Versammlungssaal, in dem sich schon viele Menschen drängten, die meisten davon Arbeiter; alle waren gespannt und aufgeregt. Man hatte einen Ausschuss berufen, der sich mit der politischen Linie der Ortsgruppe befassen sollte, und dieser Ausschuss legte nun ein Gutachten vor, das zu dem Ergebnis kam, man müsse den linken Flügel ausschließen; das Gutachten einer Minderheit besagte hingegen, alle anderen sollten ausgeschlossen werden! Natürlich war der Teufel los; und Bunny hörte zu und versuchte tapfer, sich von der Radikalenbewegung nicht desillusionieren zu lassen. Sie waren alle so laut, und Bunny hatte doch eine Vorliebe für das Leise! Er erwartete nicht, dass Arbeiter vollendete Manieren hatten oder fehlerfrei sprachen, sagte er sich; aber mussten sie unbedingt schreien und die Fäuste in der Luft schütteln? Konnten sie ihre Ansichten nicht erörtern, ohne den anderen als «Kostümproletarier» oder «feigen Saukerl» zu beschimpfen? Bunny hatte sich für seinen Besuch bei der Ortsgruppe der sozialistischen Partei von Angel City einen kritischen Augenblick ihrer Geschichte ausgesucht, und sie zeigte sich seinetwegen entschieden nicht von ihrer manierlichen Seite!
Jetzt stieg Papa Menzies aufs Podest und brüllte seine Söhne an, sie seien ein Haufen Esel, wenn sie sich einbildeten, sie könnten in Amerika die Massen zur Revolution bewegen. «Warum hats gegebn in Russland a Revolution? Weil das Land war kaputt vom Krieg. Aber bis in Amerika die kapitalistische Klasse zusammenbrecht, es wird brauchn zehn Jahre Krieg, und wos macht ihr meschuggenen Jingelech derweilen? Ihr ieberlasst die sozialistische Partei der Polizei! Natierlich se habn Spitzel, und diese Spitzel sind die treibende Kraft hinter eirem meschuggenen linken Fliegel!» 71
Das erschien Bunny ganz plausibel. Den Geschäftsleuten von Angel City käme es wie gerufen, wenn die Radikalenbewegung bis zum Äußersten ginge, denn das lieferte ihnen einen Vorwand, sie zu zerschlagen – und wenn sie sich etwas wünschten, sorgten sie bedenkenlos dafür, dass es geschah. Wenn man dies aber den jungen Extremisten sagte, war das, als fuchtelte man mit einer roten Fahne vor einer Bullenherde herum.
«Was?», schrie Ikey Menzies seinen Vater an. «Du redest von der Polizei? Was machen denn deine geliebten Sozialdemokraten jetzt in Deutschland? Sie haben die Polizei übernommen und schießen im Interesse der kapitalistischen Klasse die Kommunisten zusammen!»
«Ja, und dasselbe werden sie in Kalifornien machen», rief der andere Bruder. «Ihr seid ein Haufen von Kollaborateuren!» Das war ein neues Wort und anscheinend ein schreckliches. Die Frage war, ob das wankende kapitalistische System noch einmal für vielleicht zehn Jahre gestützt werden könnte und «die vom rechten Flügel» unter den Kapitalisten Ämter annehmen und dadurch bei dieser Rettung helfen würden. «Du machst dich zu ihrem Komplizen», erklärte Joe Menzies, «wenn du die Arbeiter bestichst, indem du ihnen pro Stunde zwei Cent mehr zahlst!»
Und so kam es wie überall in der Welt auch in der Ortsgruppe Angel City zum Eklat; die «Roten» verließen die Gewerkschaft und spalteten sich kurz darauf in drei verschiedene kommunistische Gruppierungen auf; Joe und Ikey Menzies zogen von zu Hause aus und mit zwei gleichgesinnten jungen Arbeiterinnen zusammen. Bunny war ratloser denn je. Das Leben schien so kompliziert und das Glück so schwer zu finden!
3
Eines Samstags klingelte das Telefon; es war Vernon Roscoe. Zufällig hob Bunny ab und hörte die freundliche Stimme. «Hallo, wie geht’s dem Bolschewikenjüngelchen? Sag mal, Jim junior, ich dachte, du wolltest mich besuchen! Irgendwann mal – aber warum nicht jetzt? Annabelle erholt sich gerade von ‹Abgründe der Leidenschaft› – sie freut sich bestimmt, wenn du kommst. Vee Tracy ist auch da und Harvey Manning – ein ganzer Haufen Leute übers Wochenende. Ich natürlich auch. Nur zu! Dein alter Herr beschreibt dir den Weg.»
Bunny berichtete Dad, dass er die Einladung angenommen habe, und Dad fand, Mr Roscoes familiäre Verhältnisse seien so beschaffen, dass Bunny vorher darüber Bescheid wissen müsse. Annabelle Ames, die Filmschauspielerin, wär das, was die Leute eine Mätresse nannten, aber eigentlich stimmte das nicht, denn sie liebte ihn hingebungsvoll, alle Freunde wüssten Bescheid, und es wär grad, wie wenn sie verheiratet wären, nur
Weitere Kostenlose Bücher