Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
Vom Netzwerk:
wäre.»
    «Ein Arbeitercollege?», fragte Dad. «Das ist ja ganz was Neues.»
    «Das ist für die Bildung der jungen Arbeiter gedacht.»
    «Und warum können die dann nicht auf normale, kostenlose Schulen gehen?»
    «Dort wird ihnen nichts über die Arbeitswelt beigebracht. Zumindest nicht die Wahrheit. Deshalb gründen die Gewerkschafter Einrichtungen, wo kluge junge Köpfe darauf vorbereitet werden, ihre Rolle im Arbeitskampf zu übernehmen.»
    Dad überlegte. «Du meinst also, das ist eine Örtlichkeit, wo ’n Haufen Rote den Sozialismus und so Zeug unterrichten?»
    «Nein, das ist nicht korrekt, Dad; wir haben nicht vor, bestimmte Lehrmeinungen zu verbreiten. Wir wollen Aufgeschlossenheit lehren, das war immer Mr Irvings Absicht. Er will, dass die Arbeiter selbstständig denken.»
    Aber mit solchem Gerede konnte man Dad keine Sekunde täuschen. «Und im Handumdrehn sind sie alle rot», sagte er. «Pass auf, mein Sohn. Ich hab nix dagegen, wenn du Mr Irving fünfhundert Dollar schenkst, aber irgendwie hab ich ein mulmiges Gefühl, wenn ich tagaus, tagein Geld verdienen soll, mit dem du dann den jungen Leuten beibringst, dass ich kein Recht drauf hab!»
    Bunny lachte – es war die bestmögliche Reaktion. Aber er dachte darüber nach – immer öfter im Laufe der Jahre –, und ihm wurde klar, dass dieser gerissene alte Mann in die Zukunft blickte und das Leben durchschaute.

KAPITEL 13
    Das Kloster
    1
    Bunny grübelte und sinnierte und versuchte in der Frage «Kapital gegen Arbeit» zu einem Schluss zu kommen. Ihm war mittlerweile klar, dass das gegenwärtige System, bei dem sämtliche Bodenschätze und Reichtümer eines Landes in eine Arena geworfen wurden, um dort von den Gierigsten zusammengerafft und fortgeschleppt zu werden, nicht in alle Zukunft funktionieren konnte. Und wenn man fragte, wer das System ändern sollte, gab es nur eine Antwort: Die breite Masse der Arbeiter, die nicht die Mentalität von Glücksspielern hatten, sondern wussten, dass Reichtum durch Schufterei erzeugt wird. Durch ihre spezielle Lage bedingt, konnten die Arbeiter sich nur durchsetzen, wenn sie sich zusammenschlossen; und deshalb mussten sie, ob sie wollten oder nicht, Solidarität entwickeln, ein Ideal der Brüderlichkeit und Kameradschaft.
    Davon waren alle «Radikalen» grundsätzlich überzeugt, und Bunny folgte dieser Doktrin bereitwillig, als einem Ausweg aus dem Teufelskreis von Kommerz und Krieg. Die Arbeiterschaft musste sich organisieren, die Wirtschaft übernehmen und sie zu einer Art Versorgungsdienst umbauen. Die Formel war einfach und verdiente volles Vertrauen; nur musste Bunny leider zugeben, dass die Realität komplizierter war. Die Architekten der neuen Gesellschaft waren außerstande, sich auf Entwürfe für die Konstruktion des Neubaus zu einigen oder darauf, wie man das alte Gebäude abriss. Sie zerfielen in zahlreiche Splittergruppen und vergeudeten einen Großteil ihrer Energie mit internen Flügelkämpfen. Bunny hätte gedacht, dass die Gewerkschaftsbewegung zumindest hier in Südkalifornien im Arbeitgeberverband mit seinen Streikbrecher- und Spitzelagenturen, seinem System aus schwarzen Listen und Verfolgung und den gekauften Politikern, die das Gesetz zum Nachteil der Arbeiter auslegten, schon genügend Feinde hatte. Aber leider sahen die jungen Radikalen das offenkundig anders; sie mussten einander auch noch gegenseitig zum Feind erklären!
    Zurzeit waren sie in fieberhafter Aufregung wegen der Russischen Revolution, einem ungeheuren Ereignis, das die Arbeiterbewegung auf der ganzen Welt erschüttert hatte. Zum ersten Mal in der Geschichte hatten hier die Arbeiter die Regierungsgewalt übernommen; wie nutzten sie diese Chance? Die kapitalistische Weltpresse stellte Russland natürlich als Albtraum dar, aber die Sowjets hielten durch, und jeder Tag ihres Durchhaltens bedeutete eine neue Niederlage für die zu Felde ziehende Presse. Die Arbeiter konnten regieren! Die Arbeiter regierten tatsächlich ! Schaut euch das an!
    Und so teilte sich die Bewegung in jedem Land der Erde in zwei Splittergruppen – hier jene, die der Meinung waren, ihre einheimischen Arbeiter könnten dem russischen Beispiel folgen und sollten sich organisieren und darauf vorbereiten, und dort jene, die dies aus dem einen oder anderen Grund für unmöglich hielten und schon den Versuch für aberwitzig erklärten. Diese tiefe Spaltung zeigte sich in jedem Lager und in jeder Denkschule. Die Sozialisten zerfielen in solche, die Russland

Weitere Kostenlose Bücher