Öl!
wieder im Gefängnis, diesmal wegen Missachtung des Gerichts. Bunny hielt es für nötig, zum nächsten Telegrafenamt zu paddeln und dem Anwalt Mr Dolliver zu kabeln, er solle der Sache nachgehen und ihm Bericht erstatten. Die Antwort lautete, man könne nichts tun – Paul und andere Streikführer hätten sich über eine einstweilige Verfügung, irgendein Verbot, hinweggesetzt, und es gebe keine Kaution, keine Berufung, kein Habeas Corpus und keine Gegenverfügung, Paul müsse seine drei Monate absitzen.
Bunny war verärgert und wütend auf alle Richter, die einstweilige Verfügungen erließen, und Vee scheute sich, ihre Meinung zu äußern; ihr leuchtete es nämlich durchaus ein, dass jemand die Streikenden im Zaum halten musste. Von da an lag ein Schatten über ihren Ferien, weil Bunny immer an seinen im Bezirksgefängnis eingesperrten Freund denken musste. Er schickte Ruth fünfhundert Dollar, damit sie sich um die Gefangenen kümmern konnte, und erhielt nach einiger Zeit die briefliche Antwort, die Gefangenen hätten das Geld ausgeschlagen, Ruth habe es an die Streikkasse weitergereicht. Es sei entsetzlich, wenn man mit ansehen müsse, wie Kinder zu wenig zu essen hätten, entsetzlich auch, dass es Männer gebe, die ihre Macht benutzten, um Kinder hungern zu lassen! So weit die «naive» Ruth, die so gar nicht mit dem Zaunpfahl Richtung Dad winkte!
10
Bunny musste für die Herbstprüfungen lernen, und es sah so aus, als könne das zum Problem werden, denn was sollte Vee unterdessen tun? Aber das Schicksal hielt eine Lösung bereit. Dad telegrafierte an die Harvard University, und diese schickte einen jungen Dozenten als Hauslehrer für Bunny. Der war die Lösung. Er war groß, hatte hübsche hellblaue Augen, einen sanft gelockten goldenen Schnurrbart und einen babyweichen, goldenen Flaum am ganzen Körper. Er trug einen goldenen Zwicker, sprach mit leiser Stimme und war äußerst kultiviert – eines jener Genies, die in allem Nachhilfe geben können, wenn man ihnen eine Woche Vorsprung lässt.
Angesichts der Tatsache, dass er einer alten Familie in Philadelphia entstammte und an der arroganten Hochburg des Bildungsdünkels studiert hatte, hätte man meinen sollen, er werde auf einen ehemaligen Maultiertreiber und seinen Sohn herabblicken – ganz zu schweigen von einer Schauspielerin, die im Lieferwagen eines fliegenden Patentmedikamentenhändlers aufgewachsen war und nie im Leben ein Buch ausgelesen hatte. Stattdessen sank der junge Mr Appleton Laurence vor der Konstellation in diesem Ferienhaus in Ontario schier auf die Knie; für einen jungen Harvard-Dozenten war es das Romantischste und Aufregendste seit Gründung der Universität. Was die Tochter des fliegenden Patentmedikamentenhändlers betraf, so konnte er seinen Blick nicht von ihr lösen, und wenn sie sich näherte, zerbarst der Privatunterricht wie unter einem Orkan.
Natürlich hatte Vee sofort ihre blitzenden schwarzen Augen eingesetzt; alle Kunststücke, die Tommy Paley ihr beigebracht hatte, probierte sie nun an diesem neuen Opfer aus, und Bunny befand sich in der Lage des Zuschauers. Vee wartete immer, bis Mr Laurence Bunny seine Aufgaben für den Vormittag zugeteilt hatte, dann ging sie mit dem Hauslehrer im Wald spazieren, und Bunny saß da – die eine Hälfte seines Verstandes beschäftigte sich mit den Büchern und die andere fragte sich, was jetzt gerade geschah und was er von einer Frau, die so viele Liebhaber gehabt hatte, vernünftigerweise erwarten konnte.
Sie ließ ihn nicht lange im Unklaren. «Bunny-Häschen», sagte sie, «du machst dir doch nicht etwa Sorgen wegen meinem Appie?» Denn der Orkan, der die Nachhilfe getroffen hatte, hatte auch alles würdevolle Auftreten hinweggefegt, und Mr Appleton Laurence hieß nun «Appie», wenn nicht gar «Appielein».
«Ich sorge mich erst, wenn du mir sagst, ich soll mich sorgen», antwortete Bunny.
«So ist es brav! Siehst du, ich bin Schauspielerin, damit verdiene ich meinen Lebensunterhalt, deshalb muss ich einfach in allen Liebesdingen Bescheid wissen – und wie soll das gehen, wenn ich nicht übe?»
«Nun ja, stimmt schon, Liebes …»
«Die Männer, die man in Hollywood zugewiesen bekommt, sind manchmal furchtbar tolpatschig, es könnte einem schlecht werden, man fühlt sich wie in den Armen einer Schaufensterpuppe. Also muss ich denen sagen, wie sie spielen sollen, ich muss wissen, wie sich ein echter Gentleman benimmt, du weißt schon, was ich meine, die Hochgestochenen und
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