Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
Vom Netzwerk:
überhaupt nicht stören. Das lernte man eben im Studio, denn dort gab es Kameramänner, Kulissenschieber, Requisiteure, Ausstatter, die schon am nächsten Szenenaufbau hämmerten, und Neugierige, die trotz strengster Verbote hereingeplatzt waren – und trotzdem arbeitete man einfach weiter. Als der Henker zum ersten Mal sein Beil hob und Vee zu schreien anfing, kamen die indianischen Führer erschrocken angerannt, doch Vee nahm sich kaum die Zeit zu lachen, sondern machte einfach weiter, während die anderen dastanden und sie mit offenem Mund anstarrten. Als sie mit ihren beiden Verehrern vom Schwimmen kam, wollte sie plötzlich einen königlichen Auftritt proben – denn sie konnte auch im knappen Badeanzug und mit einem Teppich aus Kiefernnadeln unter den bloßen Füßen eine Prinzessin spielen.
    Mr Appleton Laurence war noch nie einer Prinzessin begegnet, hatte jedoch viel Geschichtliches und Erdichtetes gelesen, deshalb war er eine Autorität und musste sie korrigieren – ihren Gang, ihre Gesten, ihre Haltung, ihre Reaktionen auf die Avancen eines jungen, gut aussehenden amerikanischen Ingenieurs. «Stell dir einfach vor, du wärst in mich verliebt, Appie», sagte sie, und so konnte er seine Gefühle in Kunst verwandeln und ihr sein Herz zu Füßen legen, vor den Augen von Bunny, Dad, Dads Sekretärin und den Indianern! «Du bist viel besser als Bunny», befand sie. «Ich glaube, der hat sich schon an mich gewöhnt; es ist so schlimm, als wären wir verheiratet.»
    So verging die Zeit recht angenehm. Bis schließlich Vee mit Appies Auffassung von königlicher Würde restlos vertraut war; sie musste nicht mehr fragen, nicht mehr innehalten und nachdenken, sondern wusste auf der Stelle, was sie zu tun hatte – und blieb von nun an für alle Zeit, bei allen Auftritten und Abgängen in der Gesellschaft von Hollywood, ein wenig die Prinzessin von Patschuli eines Harvard-Dozenten. Jetzt konnte sie es nicht mehr erwarten, endlich am Set zu sein und Tommy Paley «Kamera ab!» rufen zu hören. Auch Bunny hatte sich mit Antworten auf sämtliche möglichen Prüfungsfragen vollgestopft und war bereit, heimzufahren und sie vor seinen Professoren abzuladen. Dad hatte in Toronto das letzte Papier für seine kanadische Aktiengesellschaft unterschrieben. Fast täglich kamen Telegramme von Verne; die Streikenden hatten fast vier Monaten durchgehalten und sich endlich eines Besseren belehren lassen. Die Bundesölbehörde hatte ihnen in einem Schreiben geraten, einzeln wieder an die Arbeit zu gehen, und zugesichert, dass die Gewerkschafter nicht benachteiligt würden.
    Dann brachte der Dampfer eines Tages ein Telegramm von Annabelle für Bunny: «Lamm zum Dinner – kommt heim.» Das bedeute, der Streik sei vorüber, erklärte er. Und so packten die Ferienhausbewohner ihre Sachen; Mr Appleton Laurence fuhr in sein schönes Harvard zurück, Weh im Herzen und unsterbliche Sonette im Koffer, während Vee Tracy, Dad, Bunny und die Sekretärin es sich in den luxuriösen Abteilen eines Zugs von Kanada an die Pazifikküste bequem machten.

KAPITEL 16
    Das Bombengeschäft
    1
    Bunny bestand seine Prüfungen und wurde ordnungsgemäß «altehrwürdiger Senior» der Southern Pacific University. Danach suchte er seine Freunde auf – aber welch eine Sorgenlast legte sich ihm da auf die Schultern! Buchstäblich alle steckten in Schwierigkeiten. Als Rachel und Jacob Menzies vom sommerlichen Obstpflücken zurückgekommen waren, saßen ihre beiden jüngeren Brüder, die vom «linken Flügel», im Bezirksgefängnis. Die Polizei hatte bei einer kommunistischen Versammlung eine Razzia durchgeführt und sämtliche Redner festgenommen, dazu die Organisatoren, die Schriftenverkäufer und alle, die ein rotes Abzeichen im Knopfloch trugen. Auch die kommunistische Zentrale hatten sie gestürmt, fest entschlossen, so meldeten die Zeitungen, sämtliche Moskauer Agenten in der Stadt aufzuspüren. Sie hatten die Gefangenen in Gruppen eingeteilt, einige wenige mit einer Geldstrafe belegt und den Rest, darunter die jungen Menzies’, dabehalten, wobei die zweckdienlicherweise weitgefasste Anklage auf «Verdacht auf ungesetzliche Zusammenschlüsse» lautete.
    Rachel meinte, diese dummen Jungen hätten ihre Scherereien selbst verschuldet, trotzdem sei es ein Verbrechen, Menschen um ihrer Überzeugung willen einzusperren, und der Gedanke, dass dein eigen Fleisch und Blut in diesen entsetzlichen Käfigen festsitze, sei eine Qual. Bunny erkundigte sich nach der

Weitere Kostenlose Bücher