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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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und Felsküsten Kaliforniens gemalt; die alte Mrs Ross hingegen malte nie etwas, was sie gesehen hatte. Sie fühlte sich zum Leben der vornehmen Leute hingezogen, zu Parks, Rasen und schattigen Alleen mit Damen in Reifröcken und Herren in Pluderhosen. Ihr Meisterwerk maß sechs mal vier Fuß und hing stets im Speisezimmer der gemieteten Villa; es zeigte im Hintergrund ein hochvornehmes Haus mit einer über zwei Geschosse reichenden Veranda, an deren Säulen man jeden Schnörkel erkennen konnte. Im Vordergrund lag eine kreisrunde Auffahrt mit einem Brunnen in der Mitte und überdeutlich plätscherndem Wasser. Dort fuhr eine Viktoria (vielleicht auch ein Landauer oder eine Barouche) mit einer Dame und einem Herrn, gelenkt von einem schwarzen Kutscher. Ein kleiner Hund rannte hinter dem Wagen her, und auf dem Rasen spielten ein Junge und ein Mädchen in weiten Röcken mit einem Reif in der Hand. Außerdem standen auf dem Rasen eherne Hirsche und Rehe – man wurde nicht müde, dieses Bild zu betrachten, immer wieder entdeckte man etwas Neues. Dad zeigte es jedem, der ins Haus kam, und sagte: «Das hat Ma gemalt. Ist das nicht wunderbar für eine fünfundsiebzig Jahre alte Dame?» Alle besichtigten es angelegentlich, Makler mit Pachtofferten, Anwälte mit Dokumenten und Vorarbeiter, die um Anweisungen baten – und nicht einer widersprach.
    Tante Emma war die Witwe des Sohnes, der an der Trunksucht gestorben war, und auch bei ihr hatte sich der Wohlstand erst spät im Leben eingestellt. Dad setzte den Damen keine Grenzen – sie ließen alles anschreiben, wonach ihnen der Sinn stand, und zogen sogar Schecks auf Dads Konto. Tante Emma kaufte ihre Kleider in den elegantesten Läden und ging in Gesellschaft, um in der kleinen oder großen Stadt, wo immer sie gerade wohnten, das Ansehen der Familie Ross hochzuhalten. Sie besuchte die Veranstaltungen der Damenklubs, lauschte imposanten Persönlichkeiten, die sich mit den Worten «Sehr geehrte Frau Vorsitzende» von ihrem Platz erhoben, und las Schriften wie «Das weibliche Element in Shakespeares Stücken», «Der therapeutische Wert des Optimismus» oder «Was können wir für unsere Jugend tun?» Einmal im Monat luden die beiden Damen zum Tee, und Dad schaffte es immer, genau an diesem Nachmittag ein neues Loch anzubohren oder einen komplizierten Zementiervorgang zu beaufsichtigen.
    Tante Emma war eine eifrige Kundin in den Kosmetikabteilungen der Drugstores; sie kannte nicht nur die Namen der eleganten jungen Damen, die dort das Zepter schwangen, sondern auch die der jeweils neuesten Produkte, die sie völlig ahnungslos und ungeniert nach den Regeln ihrer eigenen Artikulation aussprach: «Ruusch finn dä Theater» und « Puudre dä Ries alla Korbeile Flöri» . Allerdings konnte sie den Verkäuferinnen auch nur so verständlich machen, was sie wollte. Auf ihrem Frisiertisch standen reihenweise zierliche Schächtelchen, Tiegelchen und Fläschchen mit Farben, Puder, Parfüms, Schönheitskleie, Nagellack und wer weiß was noch alles. Eine von Bunnys frühesten Erinnerungen war die an Tante Emma, wie sie auf einem Stuhl hockte und aussah wie ein überdimensionierter Wellensittich in einem Harnisch. Sie war erst halb angezogen, achtete aber nicht auf ihn, weil er so klein war, und so schaute er zu, wie sie zugeschnürt und in ihre Rüstung geschnallt wurde – enge Korsetts, Schweißblätter, Strapse und stramm geschnürte Stiefelchen. Sie saß aufrecht und ernst da, strich sich alles Mögliche auf Wangen und Augenbrauen und betupfte sich mittels kleiner Quasten mit rosa und weißem Puder, und dabei erzählte sie Bunny von ihrem Mann, der vor vielen Jahren verschieden war. Er habe trotz dieser einen tragischen Schwäche viele gute Eigenschaften besessen und ein gutes Herz gehabt, edel und großzügig. «Ja, ja», sagte Tante Emma, «er war ein braver kleiner Mann. Wo er jetzt wohl sein mag?» Und dann, tupf, tupf, tätschelte sie sich die Tränen von den Wangen und färbte sie wieder rosa.
    6
    Tief in der Erde unter Ross-Bankside Nr. 1 drehte sich ein großer Stahlblock ständig um die eigene Achse. An der Unterseite hatte er stumpfe Stahlzähne wie eine Muskatreibe, und von oben drückten ihn mehrere tausend Fuß Stahlrohr, das Bohrgestänge, mit einem Gewicht von zwanzig Tonnen nach unten, weshalb er sich im Drehen in das harte Gestein fraß und es zu Pulver zermalmte. Dies geschah in einer Flut dünnflüssiger Spülung, die durch das Innere des Bohrgestänges nach unten

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