Öland
nervös, was da
wohl auf sie zukommen würde.
»Ich werde doch nicht im selben Raum sitzen wie er,
oder?«, fragte sie ängstlich. »Ich glaube, das kann ich nicht …«
»Nein, natürlich nicht«, beruhigte Lennart sie. »Da sitzen
nur Anders und Niklas Bergman, der Kriminalbeamte.«
»Habt ihr diese Verhörspiegel … oder so was Ähnliches?«,
fragte Julia.
Sie bereute ihre Frage, als Lennart herzlich lachte.
»Nein, so was haben wir nicht«, sagte er. »Die gibt es vor
allem in amerikanischen Fernsehserien. Ab und zu setzen
wir Video ein, aber auch nicht so oft. In Stockholm kommt
das alles häufiger vor, hier nicht.«
»Glaubst du, dass er es war?«, fragte Julia.
Lennart schüttelte den Kopf.
»Ich weiß es nicht. Aber wir müssen uns auf jeden Fall mit
ihm unterhalten.«
Das Polizeirevier von Borgholm befand sich in einer Seitenstraße am Stadteingang. Lennart hielt auf dem Parkplatz
und öffnete das Handschuhfach. Julia beobachtete ihn beim
Wühlen zwischen Zetteln, Visitenkarten und Kaugummipackungen.
»Die darf ich nicht vergessen«, sagte er. »Nicht, dass ich sie
benötigen würde, aber sie darf nicht im Auto liegen bleiben.«
Er nahm seine Waffe heraus, die in einem Lederhalfter
steckte, auf dem das Wort GLOCK eingraviert war. Lennart
schnallte es sich um die Hüften, wartete geduldig, bis Julia
aus dem Auto ausgestiegen war und sicher stand. Gemeinsam betraten sie das Polizeipräsidium.
Julia musste im Aufenthaltsraum warten. Er sah aus wie ein
ganz normaler Aufenthaltsraum, allerdings stand in der Ecke einFernseher. Sie saß davor und sah dieselben amerikanischen Verkaufsshows, die sie sich auch in Göteborg immer
tagsüber angesehen hatte.
Kurz vor zwei betrat Lennart den Raum.
»Das hätten wir«, sagte Lennart. »Jedenfalls fürs Erste. Wollen wir was essen gehen?«
Julia nickte und versuchte ihre Neugier zu verbergen. Lennart würde ihr bei passender Gelegenheit sicher alles erzählen.
»Ist Anders noch da?«, fragte sie, als sie in der Storgatan
standen.
Lennart schüttelte den Kopf.
»Er durfte in seine Wohnung fahren.«
Langsam lief er neben Julia her. Sie versuchte schnell voranzukommen, aber der Wind war so kalt, dass ihre Finger
ganz steif wurden.
»Vielleicht ist es auch die Wohnung seiner Mutter«, fuhr er
fort, »das weiß ich nicht genau. Jedenfalls hat er versichert,
dass er vor Ort bleibt und uns zur Verfügung steht, falls wir
Fragen haben sollten. Wäre Chinesisch in Ordnung? Ich kann
keine Pizza mehr sehen.«
»Hauptsache, es ist in der Nähe«, erwiderte Julia. Lennart
führte sie zu einem Chinesen neben der Kirche.
Es saßen nur noch wenige Mittagsgäste im Restaurant.
Lennart und Julia zogen ihre Mäntel aus und nahmen an
einem Fenstertisch Platz. Julias Blick fiel auf das weiße Kirchengebäude, es erinnerte sie an jenen warmen Sommer, in
dem sie dort konfirmiert wurde und bis über beide Ohren
in einen Jungen aus der Konfirmandengruppe verliebt gewesen war, in … Wie hieß er noch gleich? Damals war es das
Wichtigste im Leben gewesen, heute konnte sie sich nicht
einmal mehr an seinen Namen erinnern.
»Und was hat Anders in dem Haus zu suchen gehabt?«,
fragte Julia leise, nachdem sie ihr Essen bestellt hatten. »Hat
er das erzählt?«
»Ja, hat er. Er hat die Diamanten gesucht«, sagte Lennart.
»Diamanten?«
Lennart nickte und sah aus dem Fenster.
»Das ist ein altes Gerücht … Ich habe es auch schon oft
gehört. Die deutschen Soldaten sollen angeblich Kriegsbeute
bei sich gehabt haben. Irgendwelche Edelsteine. Anders war
fest davon überzeugt, dass Nils sie im Keller vergraben hat,
bevor er geflohen ist. Darum hat er den ganzen Keller umgegraben, sie aber nicht gefunden«, erzählte Lennart. »Zumindest sagt er das. Er ist ein Sonderling.«
»Und die Zeitungsausschnitte?«, fragte Julia.
»Die lagen in einem Schrank. Er hat sie entdeckt und aufgehängt. Anders denkt, dass Vera Kant sie gesammelt hat.«
Lennart sah Julia in die Augen. »Weißt du, was er außerdem
gesagt hat? Er behauptet, er habe Veras Anwesenheit im Haus
gespürt. Sie spuke im Haus herum.«
»Aha!«, erwiderte Julia nur.
Sie wollte nicht zugeben, dass sie es genauso empfunden
hatte. Ihr lag eine Frage auf dem Herzen, aber sie wusste
nicht, ob sie es wagen sollte, sie zu stellen. Kurz bevor die Teller mit ihrem Essen gebracht wurden, beantwortete Lennart
ihre unausgesprochene
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