Öland
Das ist sein
Schatz, was immer er wert sein mag. Seit so vielen Jahre lebter jetzt hier, ohne Geld zu besitzen, diese Steine hat er sich
verdient.
Der Borrachon ist in seinem Zimmer in San José schnell unruhig geworden, aber Nils hat ihn bis zu Fritiofs Eintreffen
festhalten müssen. Nach drei Tagen ist ihnen der Gesprächsstoff ausgegangen, nach einer Woche haben die beiden nur
noch schweigend im Hotelzimmer gesessen, umringt von leeren Flaschen, und Wein getrunken.
Schließlich ist Fritiof auf dem Flugplatz gelandet und mit
einem breiten Grinsen unter der Sonnenbrille bei ihnen aufgetaucht. Borrachon ist aus seinem Delirium erwacht, ohne
jedoch richtig zu begreifen, wer dieser neue Schwede ist und
was er will. Aber Fritiof hat neue Flaschen Wein bestellt, und
die Party ist weitergegangen. Fritiof hat mitgelacht, aber nie
die Kontrolle verloren. Er hat Borrachon äußerst sorgfältig beobachtet.
Am Tag nach Fritiofs Ankunft ist Nils mit dem Zug nach
Limón vorausgefahren. Er hat die verbleibende Miete in seinem Stammhotel bei Madame Mendoza bezahlt und sich die
Haare so kurz schneiden lassen, wie Borrachon sie trägt. Dann
ist er in die Bar am Hafen gegangen und hat all den traurigen
Gestalten zugenickt, denen es nie gelingen würde, Limón zu
verlassen. Er hat dafür gesorgt, dass er jeden Abend auf den
schmutzigen Gassen der Stadt gesehen worden ist.
Madame Mendoza und einigen Barkeepern hat er erzählt,
dass er sich in Kürze zu einer kleinen Wandertour nach Norden aufmachen werde, die Küste entlang, vorbei an der Playa
Bonita, aber bald zurückkommen werde, weil ihn ein Freund
besuchen wolle.
An seinem letzten Tag in Limón ist er in der Morgendämmerung aufgestanden, hat ein paar Scheine und Münzen in
einer Schublade der Küchenzeile und das meiste seiner Besitztümer liegen gelassen, nur ein paar Kleidungsstücke und
Essen eingepackt, seine Brieftasche und die Briefe von Vera.Dann hat er Limón endlich verlassen können. Er hat den
Marktplatz überquert, auf dem die alten Fischhändler stille
Zeugen seines Aufbruchs in die Heimat geworden sind. Er ist
aus der Stadt gelaufen, auf dem Weg zu Fritiof Andersson,
ohne auch nur einmal zurückzusehen.
Nicht auf der Flucht – auf der Heimreise.
Zum ersten Mal seit fast zwanzig Jahren ist Nils auf dem
Heimweg nach Öland.
26
D iesmal öffnete keine junge Krankenschwester die schwere
Eingangstür von Martin Malms Haus. Es war eine ältere Frau
mit langem grauen Haar. Gerlof erkannte sie sofort: Es war
Martins Frau, Ann-Britt Malm.
»Guten Tag«, grüßte Gerlof.
Die Frau stand regungslos in der Tür. Ihr blasses Gesicht
war ernst; er begriff, dass sie ihn nicht erkannte.
»Ich bin Gerlof Davidsson«, stellte er sich vor, nahm seinen
Stock in die linke Hand und reichte ihr die rechte zum Gruß.
»Aus Stenvik.«
»Ach ja, natürlich, Gerlof. Sie waren letzte Woche schon
einmal hier, in Begleitung einer Frau.«
»Das war meine Tochter«, sagte Gerlof.
»Ich habe Sie vom Fenster im ersten Stock aus gesehen, als
Sie wieder gegangen sind, aber als ich Ylva fragte, konnte sie
sich nicht mehr an Ihren Namen erinnern«, erzählte Ann-Britt Malm.
»So war es!«, sagte Gerlof. »Ich wollte mit Martin ein bisschen über alte Zeiten plaudern, aber er war an dem Tag unpässlich. Geht es ihm heute vielleicht besser?«
»Martin geht es heute leider nicht viel besser«, sagte Ann-Britt Malm.
Gerlof nickte verständnisvoll.
»Aber vielleicht ein kleines bisschen besser?«, versuchte er eserneut und kam sich wie ein Hausierer vor. »Ich werde
auch nicht lange bleiben!«
»Wir können ja mal sehen, wie es ihm geht«, sagte sie.
»Kommen Sie doch rein.«
Gerlof drehte sich um und schaute zur Straße.
John war im Auto sitzen geblieben. Gerlof nickte ihm zu.
»Dreißig Minuten«, hatte er ihm gesagt. »Wenn man mich
reinlässt, kannst du fahren und nach dreißig Minuten wiederkommen.«
John hob eine Hand, startete den Wagen und fuhr los.
Gerlof trat in den warmen und großen Eingangsflur und
hörte auf zu zittern. Er stellte seine Aktentasche auf den
Steinfußboden und zog den Mantel aus.
»Draußen ist es wie im Winter«, sagte er zu Ann-Britt Malm.
Sie nickte nur, war offensichtlich nicht an Small Talk interessiert.
Die Tür an der Längsseite des Flurs war angelehnt. Sie ging
darauf zu und stieß sie auf, Gerlof folgte ihr schweigend.
Hinter der Tür befand sich ein großer
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