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Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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in der Schweiz, Helen in Hamburg und dieser Udris hier in Lettland. Du hast recht gehabt, wir hauen ab.«
    »Aber vorher erzählen Sie mir freundlicherweise noch, was eigentlich los ist«, sagte Elena. »Habe ich das richtig verstanden, dass Sie von Kriminellen verfolgt werden und dann zu uns gekommen sind?«
    Von dieser Seite hatte ich die Angelegenheit noch gar nicht betrachtet, aber sie hatte recht. Wir hatten einen unverzeihlichen Fehler begangen. Anna war rot geworden und rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl herum.
    »Ja«, sagte sie schließlich, »es tut uns leid, dass wir Sie möglicherweise da mit hineingezogen haben. Wir sind auf der Fähre bedroht worden. Die Männer wollten, dass wir unsere Nachforschungen einstellen und nach Hamburg zurückkehren. Das werden wir tun. Ich glaube nicht, dass Sie in Gefahr sind. Es geht um uns.«
    Elena wirkte nicht beruhigt und hatte offenbar auch nicht die Absicht, das Gespräch fortzusetzen.
    »Ich muss jetzt weg«, sagte sie nach einem Blick auf ihre Armbanduhr, »ich habe einen Job im Tourismusbüro in der Innenstadt, das hat auch Sonntagnachmittag geöffnet. Soll ich Sie mitnehmen?«
    Anna nickte.
    »Das ist sehr freundlich. Könnten Sie uns zum Buchungsbüro der Fährlinie fahren? Was ist mit Ihrem Schwiegervater? Kann er allein hierbleiben?«
    »Ich hole ihn in zwei Stunden ab, zusammen mit meinem Schwager. Allein bekomme ich ihn nicht ins Auto.«
    Elena hatte es jetzt offensichtlich eilig, uns loszuwerden, und ich konnte es ihr nicht verdenken. Sergej Bakarov verabschiedete uns mit seinem herzlichen schiefen Lächeln, und Anna sagte:
    »Wir erzählen Petersen von Ihnen, er wird Sie bestimmt besuchen. Und ich schicke Ihnen Musik von Keith Jarrett. Das Köln-Konzert, okay?«
    Elena übersetzte, und Bakarov machte mit tränennassen Augen noch einmal seine Geste des Klavierspielens.
    Wir traten auf die kleine Gasse hinaus, und während Elena den Wagen holte, der hinter dem Haus geparkt war, stieß Anna einen tiefen frustrierten Seufzer aus und kickte wütend einen großen Kiesel vom Gehsteig auf die Straße. Dann unversehens krallte sie ihre linke Hand in meinen Unterarm, riss mich nach rechts herum und deutete die Straße hinunter.
    »Oh, verdammt!«, sagte sie.
    Ungefähr dreißig Meter weiter rechts, in dieser Umgebung etwa so unauffällig wie ein Hering am Weihnachtsbaum, parkte ein schwarzer Audi A8 mit getönten Scheiben. Das Nummernschild war verschmutzt und nicht zu erkennen, aber auf der Heckscheibe klebte ein großes B. Als Anna, ohne meinen Arm loszulassen, einen Schritt in Richtung des Wagens machte, löste er sich vom Straßenrand und glitt lautlos davon.
    Sekunden später stoppte Elenas kleiner Toyota vor uns. Anna hielt immer noch meinen Arm umklammert, und offenbar sahen wir beide aus wie Leute, die gerade King Kong auf dem Opernball getroffen haben. Elena war sofort alarmiert.
    »Was ist mit Ihnen? Ist irgendetwas passiert?«
    Anna schaute mich an, und wir schüttelten gleichzeitig den Kopf. So langsam wuchsen wir als Team zusammen, zumindest was das Lügen betraf.
    »Nein«, sagte Anna, »wir sind nur so enttäuscht. Irgendwie habe ich fest daran geglaubt, diesen Udris zu finden und mit ihm sprechen zu können.«
    Elena knurrte etwas Russisches, und auf der weiteren Fahrt in die Innenstadt sprach niemand mehr ein Wort. Ich saß auf der Rücksitzbank und war immer noch so erschrocken und gleichzeitig wütend, dass ich kaum klar denken konnte. Es war verrückt. Die ganze Zeit hatte ich einerseits gewusst, dass sie uns beobachten würden, und andererseits einen Funken Hoffnung gehabt, nach dem Angriff auf dem Schiff in Ruhe gelassen zu werden. Und mir war klar geworden, dass ich den schwarzen Wagen schon einmal gesehen hatte. Auf der Straße vor Helens Haus, nach dem Wiedersehensbesäufnis mit Mischka, hatte ein schwarzer Audi geparkt, den ich Idiot zwar wahrgenommen, aber nicht weiter beachtet hatte. Na ja, sagte Helen in meinem Kopf, da war die Paranoia auch noch im Primärstadium.
    Wo hatte sie bloß diese Wörter her?
    Das Nummernschild war nicht zu erkennen gewesen, dafür aber sehr deutlich das belgische Nationalitätenzeichen. Aber wieso Belgien? Albanische Gangster in belgischen Autos? Unterwegs in Lettland?
    Globalisierung, sagte Helens Stimme.
    »Scheiß drauf«, sagte ich mit meiner eigenen.
    Anna drehte sich zu mir um und sah mich fragend an. Ich schüttelte den Kopf, aber ich spürte, wie meine Angst und Nervosität sich nach und nach in

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