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Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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Druschba gebaut, um von Ventspils aus das sibirische Erdöl an den Westen zu verkaufen. Zum Schluss waren es fast 38 Millionen Tonnen. Dazu kam noch die Ausfuhr von, wie sagt man … Düngemitteln? Hauptsächlich Kaliumsalz. Dauernd ging etwas schief. Fabriken ganz ohne Abwasserreinigung, Schlote ohne Filter, wilde Chemiekippen in den Wäldern und den Rest einfach ins Meer geschüttet. Alle im Freihafen waren mehr oder weniger korrupt, und die Letten haben da auch mitgemacht.«
    »Er auch?«, fragte Anna und deutete mit der Hand auf Bakarov.
    Der alte Mann hatte das Gespräch die ganze Zeit aufmerksam verfolgt, von einem zum anderen geblickt, und obwohl er nichts verstand, an den passenden Stellen genickt. Jetzt schien er langsam ungeduldig zu werden.
    Elena schüttelte energisch den Kopf.
    »Das war ja das Verrückte. Ausgerechnet er, als Russe, hat dauernd gegen den ganzen Irrsinn gepredigt und dann Schwierigkeiten bekommen. 1988 hat er sogar bei den Aktionen der lettischen Umweltschutzbewegung mitgemacht. Die russischen Militärs hatten in der Nähe von Liepaja, unmittelbar am Strand, mit weißem Phosphor gefüllte Rauchbomben gesprengt. Die übliche Schlamperei. Die ins Meer geschleuderten Rückstände sahen haargenau so aus wie der Bernstein, der in dieser Gegend am Strand gefunden wird. Nur dass bereits Körperwärme ausreichte, um sie zu entzünden. Noch Jahre später kam es bei Strandgängern zu Verbrennungen durch das Zeug.«
    »Da! Da!«, sagte Bakarov, was auf Russisch ein durchaus zutreffender Kommentar war. Offenbar war er es leid, dass das Gespräch an ihm vorbeilief.
    »Können Sie ihn fragen, wie er Ole Petersen kennengelernt hat?«, fragte Anna. Elena schrieb den Namen in großen Buchstaben auf den Block und stellte dann in langsamem Russisch die Frage.
    »Da, da! Pätterrrsson! Drug!«, sagte Bakarov lebhaft.
    Er nahm den Stift in die linke Hand, zeichnete umständlich eine Reihe von kyrillischen Buchstaben auf das Blatt und schaute uns erwartungsvoll an.
    »Tut mir leid«, sagte Elena, »es sind vier Wörter, alle unvollständig. Dies soll wahrscheinlich ›alter Freund‹ bedeuten und dies vielleicht ›T-a-l-i-n‹. Meinst du Tallinn in Estland?«
    Bakarov nickte energisch. Elena wiederholte beide Wörter auf Russisch, und der Alte bestätigte sie noch einmal.
    »Mit dem letzten Wort kann ich gar nichts anfangen. Auf Deutsch würde es etwa ›Jas‹ heißen«, sagte Elena.
    Bakarov nickte wieder, hob seine linke Hand an und bewegte den Daumen und die Finger einzeln nacheinander nach unten.
    Elena zuckte ratlos mit den Achseln.
    »Sieht aus wie Klavierspielen«, sagte Anna.
    Elena übersetzte, und diesmal strahlte der alte Mann über das ganze Gesicht.
    »Da!«, sagte er, »da, da, da!«
    Elena lehnte sich zurück und lächelte ebenfalls.
    »Ich weiß, was er meint. Das letzte Wort heißt ›Jazz‹. Er hat Petersen auf dem ›Tallinn Jazz Festival‹ kennengelernt. Viele Jahre lang ist er dort hingefahren. Tausende von Jazzfans aus der ganzen Sowjetunion haben sich jedes Jahr dort getroffen. Mein Schwiegervater hat uns oft erzählt, wie er schon 1967 dort den jungen Keith Jarrett gehört hat, zusammen mit Charles Lloyd. Und jetzt weiß ich wieder, wer Ole Petersen ist. Er ist zweimal hier in Ostgals gewesen. Nach der Unabhängigkeit. Sieht er immer noch aus wie James Coburn?«
    Anna lachte schallend.
    »Verdammt, ja! Die ganze Zeit habe ich überlegt, wem der alte Graukopf ähnlich sieht!«
    »Und er ist auch sehr nett«, sagte Elena, »aber deshalb sind Sie nicht gekommen, nicht wahr? Nicht mal mein Schwiegervater glaubt das. Ich meine, dass Sie einfach aus Hamburg hierherkommen, nur um ihn von einem alten Freund zu grüßen!«
    »Stimmt«, sagte Anna ohne Umschweife. »Petersen hat uns zu Ihnen geschickt, und er lässt Sie grüßen, aber vor allem hat er gesagt, Ihr Schwiegervater könnte uns vielleicht Informationen geben. Aber ich fürchte …«
    Sie machte eine hilflose Geste in Richtung Bakarov, der ratlos von einem zum anderen blickte.
    Elenas Gesicht hatte jetzt einen misstrauischen Ausdruck angenommen.
    »Was wollten Sie denn wissen?«
    Anna warf mir einen fragenden Blick zu, und ich machte mit dem Zeigefinger eine kreisende Bewegung, um sie zum Weitersprechen aufzufordern.
    »Es geht um Vorkommnisse im Hafen von Ventspils. Wir haben von Ole Petersen eine Menge Informationen bekommen. Deshalb weiß ich auch, dass hier keine der großen Zertifizierungsgesellschaften ansässig ist. Aber

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