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Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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Sie waren verschwunden!«
    Er stand auf, holte aus einem kleinen Kühlschrank an der Wand eine Flasche Mineralwasser, goss zwei Gläser voll und schob mir eins rüber. Ich nickte ihm dankend zu, hatte aber nicht die geringste Absicht, das Glas anzufassen.
    »Was werfen Sie mir vor?«, fragte ich.
    »Wir hatten einen anonymen Anruf, und zwar an dem Tag, als wir merkten, dass Sie aus Hamburg verschwunden sind. Sie sind nicht observiert worden, aber wir haben ein bisschen nach Ihnen geschaut. Nur für den Fall, dass Sie wieder irgendwelchen Halbstarken begegnen.«
    »Und?«
    »Es war eine Männerstimme. Sie sagte, wenn wir Näheres über den Toten auf dem Bahnhofsklo wissen wollten, sollten wir uns an Sie wenden. Falls wir es schaffen würden, Sie überhaupt zu finden. Dann legte er auf. Na gut, dachte ich, warum nicht noch mal mit dem netten Doktor reden? Aber da muss ich von unseren Jungs doch tatsächlich hören, dass Sie einfach unauffindbar sind. Was sagen Sie dazu?«
    »Wozu?«
    Geldorfs Gesicht hatte im Laufe des Gesprächs eine magentarote Färbung angenommen, und ich beschloss, ihn nicht weiter zu reizen.
    »Sie sind mit einem in Schweden zugelassenen Volvo nach Deutschland eingereist. Der Wagen gehört Ihrem Vater!«, sagte er.
    »Also wissen Sie doch, wo ich war.«
    »Sie hatten erwähnt, das Sie Ihre Eltern in Schweden besuchen wollten.«
    »Ja, eben! Weit und breit keine Geheimnisse.«
    »Schön, aber wie sind Sie nach Schweden gekommen? Der VW-Bus steht noch in Rostock. Geflogen sind Sie nicht, das haben wir überprüft.«
    »Mit dem Schiff. Frau Jonas fliegt nicht gerne.«
    Das war nun wirklich mal die Wahrheit. Vielleicht schluckte er es. Bevor ich ihm von unserem Ausflug nach Lettland erzählte, wollte ich wissen, was er gegen mich in der Hand hatte.
    Geldorf schüttelte nachdenklich den Kopf.
    »Mal was anderes«, sagte er nach einer Weile, »an dem Tag, an dem der anonyme Anruf reinkam, kriegten wir auch die Ergebnisse der ballistischen Untersuchung in der Bahnhofsklogeschichte. Also: Unsere Leute haben zwei Projektile gefunden, eins aus einer 32er und das andere Kaliber 45. Keine Patronenhülsen. Es waren also definitiv zwei Waffen im Spiel. An dem großen Projektil konnten wir nachweisen, dass es aus einer Waffe mit Schalldämpfer abgefeuert wurde. Haben Sie übrigens was dagegen, wenn ich das Band mitlaufen lasse?«
    Geldorf schob das Mikrofon auf seinem Tisch in meine Richtung und wollte gerade auf die Aufnahmetaste drücken, als ich energisch den Kopf schüttelte. »Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinen Grund für eine Bandaufnahme. Ich bin freiwillig hier und kooperativ. Kein Anlass für irgendwelche Mätzchen.«
    Ohne erkennbare Regung zog Geldorf das Mikro wieder zurück und sprach weiter:
    »Man braucht kein Kriminaltechniker zu sein, um zu erkennen, dass dem Opfer mit der kleineren Waffe in den Oberschenkel und mit der großen in den Kopf geschossen wurde.
    Wegen der großen Blutmenge aus der Beinwunde wissen wir auch, dass dem Opfer zuerst diese Verletzung zugefügt wurde. Wenn es umgekehrt gewesen wäre, hätte das Herz kein Blut mehr aus der zerfetzten Beinarterie pumpen können. Hätte auch so rum gar keinen Sinn ergeben.
    Aber wie soll man sich das Ganze überhaupt vorstellen? Also, ein Mann bugsiert einen anderen in eine Bahnhofstoilette und schießt ihm mit einer kleinkalibrigen Waffe in den Oberschenkel. Das Opfer geht an der Tür zu Boden. Der Täter macht seinen eigenen Hosengürtel ab, zerbricht den Stiel der Klobürste und bastelt zusammen mit einem dunklen T-Shirt eine Arterienpresse. Nett von ihm, nicht wahr? Aber woher kommt jetzt bloß das T-Shirt? Dem Opfer gehörte es offensichtlich nicht. Und wenn es dem Täter gehört hätte, müsste der sehr schmal und etwa einen Meter fünfundsechzig groß gewesen sein. Die KTU meint, es sei ein Damen-T-Shirt.
    Es wird also immer komischer. Sollen wir uns jetzt einen männlichen Täter vorstellen, der mit zwei Pistolen anrückt und für den Fall, dass er mal eine Arterienpresse braucht, ein Damen-T-Shirt dabeihat?
    Oder eine Frau, die auf dem Männerklo einem Riesenkerl ins Bein schießt, für ihn das T-Shirt auszieht, ihn verarztet und ihm dann den Kopf wegschießt?«
    »Nun mal langsam«, sagte ich, »erst mal zu den Pistolen. Wie gefällt Ihnen das: Ein Mann wird auf dem Bahnhofsklo von einem anderen angegriffen und in eine Kabine geschubst. Er hat die kleine Pistole dabei und will sich damit verteidigen. Im Handgemenge löst sich

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