Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
Vom Netzwerk:
eine bekannte Journalistin gewesen sei. Aber das ist nur eine allgemeine Floskel und keine Erklärung für irgendwas!«
    Eigentlich hatte ich vorgehabt, Geldorf die ganze Geschichte zu erzählen und alle Karten auf den Tisch zu legen. Schließlich war das der Kompromiss gewesen, den Anna und ich auf der Fahrt nach Lettland ausgehandelt hatten. Dass er mich an der Grenze hatte abfangen lassen und sein inniger Wunsch, mich mit dem Toten auf dem Bahnhofsklo in Zusammenhang zu bringen, das hatte meinen Entschluss ins Wanken gebracht. Die Art, wie er jetzt auf meine Frage reagierte, trug nicht im Geringsten zur Vertrauensbildung bei. Es war eine merkwürdige Mischung aus Ärger und Verblüffung.
    »Was soll das denn jetzt? Meinen Sie etwa, wir wären Ihnen Rechenschaft schuldig hinsichtlich einer ermittlungstechnischen Maßnahme? Kommissar Born hat seine Gründe gehabt, und damit basta!«
    Er war stinksauer und klang trotzdem so, als hätte er die Gründe von Born auch gerne gewusst.
    »Sie dürfen jetzt gehen«, sagte er.
    Also ging ich. Er hatte mir nicht angeboten, mich nach Hause fahren zu lassen, und ich war auch nicht scharf darauf. Auf dem Weg nach draußen dachte ich darüber nach, wie lange ich ihn noch hinhalten konnte und was er eigentlich wollte. Die demonstrative Weigerung, ihm meine Tonbandstimme und die Fingerabdrücke auf dem Wasserglas zu überlassen, war so gut wie ein Schuldeingeständnis. Er wusste es, und ich wusste es. Aber aus irgendeinem Grund wollte er es nicht durchziehen. Mir war klar, dass es keine formalrechtlichen Bedenken waren, die ihn davon abhielten. Über diese Art von juristischem Filigranquatsch setzt sich die Polizei andauernd hinweg, und er hätte jederzeit irgendeine »Gefahr im Verzug« erfinden und dann machen können, was er wollte. Ohne solche Tricks allerdings konnte er nicht beweisen, dass ich auf dem Bahnhofsklo dabei gewesen war, und vielleicht lag ihm noch nicht einmal viel daran. Aber es ärgerte ihn, dass ich es ihm nicht erzählte. Also spielte er mit mir. Er ließ mich beobachten, ließ mich antraben, wenn ihm danach war, und durchblicken, dass er die lange Leine jederzeit einholen konnte. Viel Zeit blieb mir nicht mehr.
    Auf der Fahrt nach Hamburg hatte ich beschlossen, noch einmal in das kleine Hotel zu gehen, in dem ich bereits ein paar Nächte zugebracht hatte, aber als das Taxi endlich kam, nannte ich dem Fahrer Helens Adresse. Helens Couch kam mir auf einmal entschieden einladender vor als ein Hotelbett, und ich wollte noch mit Anna sprechen.
    Die Wohnung im oberen Stockwerk war dunkel, der Volvo stand vor der Tür. Vielleicht schlief Anna schon. Ich schloss die Haustür auf und schaute in Helens Briefkasten. Das Päckchen aus München war noch nicht darin, dafür jede Menge Werbeprospekte – und der Volvoschlüssel. Eine jähe Angst überfiel mich. Anna war weg. Zumindest war sie nicht in der Wohnung, sonst hätte sie den Schlüssel nicht in den Briefkasten geworfen. Ich hastete die Treppe hinauf und überzeugte mich davon, dass Helens Wohnung wirklich leer war. Dann stand ich fassungslos im Flur und dachte an ein mageres Gespenst mit Irokesenbürste und Tigerfellweste, das mir hier gegenübergestanden hatte und jetzt einfach verschwunden war.
    Aber ich tat ihr unrecht. Als ich mich in Helens Sessel fallen ließ, holte ich mein Handy heraus, das ich während des Gesprächs mit Geldorf abgeschaltet hatte, und sah sofort die Nachricht. Anna hatte mir eine SMS geschickt:
    »Schlüssel im Briefkasten. Bin mit DB nach Rostock. Fahr mit VW zum Meeres-Dok und bringe ihn mit. Don’t worry, be happy!«
    Trotz meines Ärgers musste ich laut lachen. Als Bobby McFerrin diesen nervigen Song in den Charts hatte, konnte Anna kaum fünf gewesen sein.
    Es war meine Idee gewesen, Dr. Meiners mit einzubeziehen, und einer von uns musste sich schließlich mit ihm in Verbindung setzen. Aber ich war sauer über ihren Alleingang und musste mir letztendlich eingestehen, dass ich es einfach schön gefunden hätte, wenn sie da gewesen wäre, als ich in die Wohnung kam. Aber das alles führte zu nichts. Wenn Anna es schaffte, Dr. Meiners mit nach Hamburg zu bringen, konnten wir, sobald die CD angekommen war, gemeinsam Helens Material durchgehen und darüber beraten, wie wir es gezielt und effektiv an die Öffentlichkeit bringen konnten. Dr. Meiners hatte sicherlich noch Kontakte zu Greenpeace oder anderen Umweltschutzorganisationen, und vielleicht konnten wir deren Kanäle und

Weitere Kostenlose Bücher