Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
mit dem Shuttle verbunden blieb. Ringsum erstreckte sich schwarz
und riesig das Meer. Bis auf den Bereich, wo die Abwärme des
Shuttles die Fluten aufwühlte, war alles ruhig. Es wehte kein
Wind, die Schieber waren nicht übermäßig aktiv, und
die Meeresströmungen waren in dieser Gegend und zu dieser
Jahreszeit ohnehin schwach. Der Eisberg konnte sich seit der letzten
Aktualisierung des kartografischen Netzes kaum von der Stelle bewegt
haben.
    Als das Boot ruhig im Wasser lag, seilten sich die ersten drei
Mitglieder des Teams nacheinander ab. Scorpio übernahm die
Führung, ihm folgte ein Sicherheitsmann namens Jaccottet, Khouri
bildete die Nachhut. Verbeulte Metallkästen mit Verpflegung,
Waffen und Ausrüstung wurden hinuntergelassen und rasch hinter
wasserdichten Luken in den Bootswänden verstaut. Zuletzt kam der
tragbare Inkubator, ein durchsichtiger Kasten mit undurchsichtigem
Boden und einem Tragegriff. Er wurde so sorgfältig festgezurrt,
als enthielte er bereits jetzt ein Kind.
    Dann wurden die Leinen losgemacht, und Scorpio steuerte das Boot
vom Shuttle weg. Das Winseln des Batteriemotors war sogar über
das Zischen der Triebwerke des Shuttles hinweg zu hören. Das
zweite Boot sank herab und setzte auf. Vasko wartete, während
vor ihm eine weibliche Angehörige des Sicherheitsdienstes namens
Urton und gleich darauf Clavain hinunterschwebten. Der alte Mann
schwankte zunächst, fand aber rasch das Gleichgewicht. Nun war
Vasko an der Reihe. Blood war ihm behilflich. Vasko war davon
ausgegangen, dass auch das zweite Hyperschwein an der Expedition
teilnehmen würde, aber Scorpio hatte ihm lediglich gestattet,
bis hierher mitzukommen und beim Beladen der Boote zu helfen,
anschließend musste Blood zurück nach Lager eins, um sich
dort um die alltäglichen Dinge zu kümmern.
    Die letzten Kästen mit Ausrüstung wurden abgesetzt, das
Boot lag nun bedenklich tief im Wasser. Sobald die Leinen losgemacht
wurden, jagte die Frau vom Sicherheitsdienst damit hinter Scorpio
her. Die beiden Rümpfe schrammten quietschend aneinander, dann
wurden unter hektischem Geflüster so lange Frachtstücke
ausgetauscht, bis beide gleichmäßig beladen waren.
    »Kommst du zurecht?«, wandte sich Urton an Vasko.
»Noch kannst du es dir überlegen.«
    Sie hackte auf ihm herum, seit sie sich bei den Planungssitzungen
auf der Sehnsucht nach Unendlichkeit kennen gelernt hatten.
Bis dahin waren sie sich so gut wie nie begegnet: Wie Jaccottet war
sie für Vasko nur eine von vielen Kollegen gewesen, die ihm
etliche Dienstjahre voraushatten.
    »Wieso kommst du eigentlich nicht damit klar, dass ich an
dieser Mission teilnehme?«, fragte er ruhig. »Hast du etwas
gegen mich persönlich?«
    »Es gibt eben Kollegen, die auf Grund ihrer Verdienste hier
sind«, sagte sie. »Das ist alles.«
    »Und das ist bei mir nicht der Fall?«
    »Du hast dem Schwein eine kleine Gefälligkeit
erwiesen«, sagte sie leise, »und bist so in eine Sache
hineingerutscht, die viel zu groß für dich ist. Aber du
hast dir damit nicht zwangsläufig und für alle Zeiten
meinen Respekt erworben.«
    »Ob du mich respektierst, ist mir ziemlich egal«, sagte
Vasko. »Aber an professioneller Zusammenarbeit wäre mir
viel gelegen.«
    »In dieser Hinsicht wirst du mir nichts vorzuwerfen
haben«, versprach sie.
    Er wollte noch etwas entgegnen, aber sie hatte sich bereits
abgewandt und hievte einen schweren Breitenbach-Boser in die
Halterungen an einer Seite des Bootes.
    Vasko wusste nicht, womit er sich ihre Feindschaft zugezogen
hatte. Nur damit, dass er jünger war und weniger Erfahrung
hatte? Er seufzte, dann half er bei der Kontrolle und beim Verstauen
der Ausrüstung mit. Das war kein reines Vergnügen: Alle
empfindlichen Gegenstände – Waffen, Navigations- und
Kommunikationsgeräte – waren zum Schutz vor dem Wasser mit
einer widerlichen dunkelgrauen Schleimschicht überzogen, die
sich in dicken Strähnen löste und ihm an den Händen
klebte.
    Er war so damit beschäftigt, sich die Schmiere unter leisen
Verwünschungen an den Knien abzuwischen, dass er kaum bemerkte,
wie das Shuttle abdrehte und sie allein auf dem Meer
zurückließ.
     
    Sie glitten kilometerweit über spiegelglattes Wasser. Die
Wolkendecke war stellenweise aufgerissen, sodass man wie durch
unregelmäßig geformte Fenster in den tiefschwarzen Himmel
sehen konnte. Inzwischen waren auch Sterne zu erkennen, aber es war
eine jener eher seltenen Nächte, in denen keiner von Ararats
Monden über dem Horizont

Weitere Kostenlose Bücher