Offenbarung
stand. So waren ihre Lampen die einzige
Lichtquelle. Die Boote rasten in einem Abstand von wenigen Metern
nebeneinander dahin. Das Winseln der Motoren war nicht so laut, dass
es Gespräche behindert hätte. Vasko hatte sich schon zu
Beginn der Expedition vorgenommen, möglichst wenig zu reden, um
sich Clavains zögernden Respekt nicht gleich wieder zu
verscherzen. Außerdem hatte er genügend Stoff zum
Nachdenken. Er saß weit hinten auf dem Rand des zweiten Bootes
und übte mechanisch immer wieder das Laden und Entladen einer
Waffe, bis seine Hände sich die einzelnen Griffe eingeprägt
hatten und er sie notfalls auch im Schlaf ausführen konnte.
Dabei fragte er sich zum hundertsten Mal, ob es denn tatsächlich
zum Kampf kommen müsste. Vielleicht stellte sich doch noch alles
als ein riesiges Missverständnis heraus.
Aber das hielt er für ziemlich unwahrscheinlich.
Sie alle hatten Khouris Bericht gelesen und mit angehört, wie
man sie ins Kreuzverhör nahm. Vieles, was dabei zur Sprache kam,
war für Vasko unverständlich gewesen, doch je länger
der Streit und die Befragung andauerten, desto besser war es ihm
gelungen, sich ein Bild zu machen.
Folgendes stand fest: Als Ana Khouri aus der Matrix des
Neutronensterns Hades zurückkehrte, war Thorn tot, und sie trug
sein ungeborenes Kind im Leib. Schon damals war sie sich über
Auras Bedeutung im Klaren gewesen: Der Fötus war nicht nur ihr
Kind, sondern auch das Sprachrohr der uralten Bewusstseine – von
Menschen wie von Aliens –, die in der Hades-Matrix konserviert
waren. Aura war ein Geschenk an die Menschheit, ihr Geist war prall
gefüllt mit Informationen, die im Krieg gegen die
Unterdrücker von entscheidender Bedeutung sein konnten. Für
Sylveste – und man konnte davon ausgehen, dass sie nicht nur
sein ungeheures Wissen, sondern auch einen Teil seiner Erinnerungen
in sich aufgenommen hatte – war sie zudem ein
Sühneopfer.
Khouri wusste auch, dass die Informationen, über die Aura
verfügte, möglichst schnell abgerufen werden mussten, wenn
sie etwas bewirken sollten. Man konnte damit nicht bis zu ihrer
Geburt oder gar so lange warten, bis sie zu sprechen anfing.
Deshalb hatte sie Remontoire gestattet, während Aura noch in
ihrem Schoß ruhte, Scharen von ferngesteuerten chirurgischen
Instrumenten in die Köpfe von Mutter und Kind einzuschleusen.
Die Drohnen hatten beiden Synthetikerimplantate eingesetzt, mit deren
Hilfe sie Gedanken und Erlebnisse austauschen konnten. Khouri lieh
Aura ihren Mund und ihre Augen: Irgendwann fing sie an, auch Auras
Träume zu träumen, und konnte oder wollte nicht mehr genau
bestimmen, wo Aura endete und sie selbst anfing. Die Gedanken ihres
Kindes flossen in ihr eigenes Denken ein und vermischten sich damit,
bis keine scharfe Trennung mehr möglich war.
Doch diese Gedanken und Erlebnisse blieben schwer zu deuten.
Khouris Tochter war ein Fötus; ihre geistigen Strukturen waren
zwar angelegt, aber nicht ausgereift, und sie hatte zwangsläufig
nur eine vage Vorstellung vom Wesen des Universums. Khouri hatte sich
nach Kräften bemüht, die Signale zu deuten, aber nur ein
Bruchteil der Botschaften, die sie empfing, waren verständlich.
Doch selbst dieser Bruchteil war von größter Wichtigkeit.
Auras Fingerzeige – einzelne Edelsteine in einem Brei
verwirrender Signale – hatten es Remontoire ermöglicht,
sein Waffenarsenal und seine Instrumente drastisch zu verbessern.
Schon daran war Auras künftige Rolle zu erkennen.
Doch dann hatte Skade ihren großen Auftritt gehabt.
Sie hatte das Delta-Pavonis-System erst erreicht, nachdem die
Unterdrücker Resurgam und die anderen Planeten längst
abgefackelt hatten. Sie hatte sofort die Verhandlungen mit den
menschlichen Gruppen aufgenommen, die nach dem Abflug der Sehnsucht nach Unendlichkeit zurückgeblieben waren. Ihr
oberstes Ziel war und blieb die Bergung von möglichst vielen der
alten Weltraumgeschütze aus dem Arsenal der Synthetiker. Doch da
ihre eigene Flotte schwer beschädigt war und die
Unterdrücker sich ihrerseits massenweise zusammenrotteten, war
sie nicht in der Position, sich diese Waffen mit Gewalt zu holen.
Inzwischen hatte die Zodiakallicht ihre Reparaturen
abgeschlossen, und die Erkundung des Hadesobjekts war für die
Menschen natürlich beendet. Remontoire und seine
Verbündeten verließen das System. Skade folgte ihnen.
Zaghafte Kontakte bahnten sich an. Skade setzte ein, was sie hatte,
um die Flüchtlinge vor den Unterdrückermaschinen zu
beschützen,
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