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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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in einer der Forschungsgruppen
unterzubringen.«
    Rachmika las in den Zügen des Quästors, dass er sie
bisher nicht belogen hatte. »Es ist nicht das, was ich
wollte«, sagte sie, »aber wenn nichts anderes zu haben ist,
muss ich mich eben damit begnügen. Wenn ich mich bereit
erkläre, eine solche Stelle anzunehmen, könnten Sie dann
einen Platz für mich finden?«
    »Wenn ich das Gefühl hätte, danach noch in den
Spiegel schauen zu können… wohl schon.«
    »Ich glaube nicht, dass Ihre Nachtruhe darunter leiden
würde, Quästor.«
    »Und Sie haben sich das auch gut überlegt?«
    Sie nickte, bevor ihre eigenen Zweifel sichtbar werden konnten.
»Wenn Sie das Nötige veranlassen könnten, wäre
ich Ihnen dankbar.«
    »Man hat immer irgendwo eine Gefälligkeit gut«,
sagte er. »Aber ich muss noch etwas erwähnen. Die
Gendarmerie aus dem Ödland sucht nach Ihnen. Hier kann sie Ihnen
nichts anhaben, aber Ihr Verschwinden blieb nicht
unbemerkt.«
    »Das überrascht mich nicht.«
    »Außerdem wird über den Zweck Ihrer Reise
spekuliert. Sie hätte irgendwie mit Ihrem Bruder zu tun.«
Das grüne Tierchen hob den Kopf, als fände es
plötzlich Interesse an dem Gespräch. Rachmika war jetzt
ganz sicher, dass ihm eins seiner Vorderbeine fehlte. »Harbin
Els«, fuhr der Quästor fort. »So heißt er doch,
nicht wahr?«
    Rachmika sah ein, dass Leugnen keinen Zweck hatte. »Mein
Bruder suchte Arbeit am Weg«, sagte sie. »Man
versicherte ihm zwar, man würde ihn nicht mit dem Blut des
Dekans impfen, aber das war gelogen. Wir haben ihn nie wieder
gesehen.«
    »Und nun möchten Sie herausfinden, was aus ihm geworden
ist?«
    »Er war mein Bruder.«
    »Dann könnte dies von Interesse für Sie sein.«
Der Quästor holte ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus seinem
Schreibtisch und schob es ihr zu. Die Augen des grünen Wesens
verfolgten es über die ganze Tischplatte.
    Es war ein Brief, mit einem roten Wachssiegel verschlossen. Sie
rieb mit dem Daumen darüber. Auf dem Siegel war ein Raumanzug
aufgeprägt, mit ausgebreiteten Armen wie ein Gekreuzigter und
von einem Strahlenkranz umgeben. Das Siegel war bereits erbrochen; es
haftete nur noch an einer Seite am Papier.
    »Was ist das?«, fragte sie und beobachtete das Gesicht
des Quästors sehr genau.
    »Ich erhielt es auf dem Dienstweg von der Morwenna. Das ist ein Glockenturm-Siegel.«
    Bisher sagte der Mann die Wahrheit. Zumindest war er aufrichtig
von seiner Aussage überzeugt. »Wann?«
    »Heute.«
    Das war gelogen.
    »An mich adressiert?«
    »Ich hatte Anweisung, dafür zu sorgen, dass Sie es zu
lesen bekämen.« Er schlug die Augen nieder, um sie nicht
ansehen zu müssen. Jetzt war sein Gesichtsausdruck schwerer zu
deuten.
    »Von wem kam die Anweisung?«
    »Von niemandem… den ich…« Wieder eine
Lüge. »Ich habe einen Blick darauf geworfen. Das
dürfen Sie mir nicht übel nehmen – ich sehe mir alle
Schriftstücke an, die auf der Karawane eintreffen. Aus
Sicherheitsgründen.«
    »Dann wissen Sie, was darin steht?«
    »Ich finde, sie sollten es selbst lesen«, sagte er.

 
Siebzehn
Hela

2727
     
     
    Der Generalmedikus ging mit klapperndem Krückstock durch die
große eiserne Kathedrale. Selbst dort, wo die Motoren und das
Antriebssystem zu hören waren, kündigte ihn dieses Klappern
schon lange vorher an. Seine Schritte waren so exakt abgemessen wie
die Schläge eines Metronoms. Das Pochen seines Krückstocks
gab – Eisen auf Eisen – den Rhythmus vor. Er bewegte sich
bewusst so langsam wie eine Spinne, um den Neugierigen und den
Nichtstuern Zeit zu geben, sich zu verdrücken. Gelegentlich
bemerkte er Schaulustige, die sich hinter Metallpfeilern oder Gittern
versteckten und glaubten, er sähe nicht, wie sie ihn
bespitzelten. Meistens war er jedoch sicher, seinen Geschäften
unbeobachtet nachgehen zu können. In den langen Jahren, seit er
in Quaiches Diensten stand, hatten die Bewohner der Kathedrale eines
gelernt: Man sollte sich hüten, seine Nase in Greliers
Angelegenheiten zu stecken.
    Doch manchmal flüchteten die Menschen auch aus anderen
Gründen.
    Er erreichte eine Wendeltreppe, eine spiralförmige
Eisenkonstruktion, die in das lärmerfüllte Gewölbe des
Maschinenraums hinabführte. Die Treppe vibrierte wie eine
angeschlagene Stimmgabel. Entweder wurde sie von unten durch die
Maschinen in Schwingungen versetzt, oder jemand hatte sie gerade
benutzt, um Grelier aus dem Weg zu gehen.
    Der Generalmedikus beugte sich über das Geländer und
schaute durch die

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