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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Nuklearmaterial,
aber die Ultras sorgten zuverlässig für Nachschub. Diese
Art der Energieerzeugung mochte schmutzig und gefährlich sein,
aber sie war wirtschaftlicher als Antimaterie und einfacher zu
bedienen als ein Fusionskraftwerk. Sie hatten alles durchgerechnet:
Um das hiesige Eis so aufzubereiten, dass es zur Fusion verwendet
werden konnte, hätte man eine eigene Raffinerie gebraucht, die
allein so groß gewesen wäre wie der ganze
Maschinenraumkomplex. Aber die Kathedrale konnte nicht weiter
ausgebaut werden, das ließen der Weg und die
Teufelstreppe nicht zu. Außerdem tat der Reaktor seinen Dienst,
er lieferte so viel Energie, wie die Kathedrale benötigte, und
die Arbeiter erkrankten nicht allzu oft.
    Aus dem höchsten Punkt der Kuppel wuchs ein Bündel
silbrig glänzender Dampfrohre, die in scheinbar unmotivierten
Windungen und Krümmungen den ganzen Raum durchquerten und
schließlich in zweiunddreißig Turbinen mündeten,
welche in zwei Reihen zu je acht Stück zweifach
übereinander gestapelt waren. Der ganze summende Komplex steckte
in einem Käfig von Laufstegen, Inspektionsplattformen,
Zugangstunnels, Leitern und Frachtaufzügen. Die Turbinen trieben
Dynamos, die den Dampf aus den Rohren in elektrischen Strom
umwandelten und in die vierundzwanzig Antriebsmaschinen einspeisten,
die in zwei Zwölferreihen auf ihnen saßen. Diese wiederum
wandelten die elektrische Energie in mechanische Kraft um und
bewegten so die großen gelenkig miteinander verbundenen Kolben-
und Kurbelstangen, von denen die Kathedrale bewegt wurde. Von den
zwölf Maschinen auf jeder Seite waren immer nur zehn in Betrieb:
Die beiden anderen befanden sich im Leerlauf und wurden zugeschaltet,
wenn einer oder mehrere von den anderen für Reparaturen
abgekoppelt wurden.
    Die mechanischen Teile führten von den Antriebsmaschinen zu
den beiden Seitenwänden und über druckfeste Dichtungen, die
genau über den Lagern der Kuppelstangen saßen, ins Freie.
Diese Dichtungen waren vermutlich ein Problem, dachte Grelier: Der
Verschleiß war so hoch, dass sie häufig ausgewechselt
werden mussten. Aber die mechanische Bewegung, die im Maschinenraum
erzeugt wurde, musste irgendwie durch die Wände ins Vakuum
übertragen werden.
    Über ihm schoben sich die Kuppelstangen traumhaft langsam in
präzise koordinierten Wellen, die sich, beginnend am vorderen
Ende des Raumes, nach hinten fortsetzten, vor und zurück und auf
und ab. Eine komplizierte Konstruktion von kleinen Kurbelstangen und
Exzentern verband sie miteinander und synchronisierte ihre
Bewegungen. Laufstege, die sich in schwindelnder Höhe an den
riesigen Metallbalken vorbeischlängelten, ermöglichten es
den Technikern, Gelenke zu schmieren und Schwachstellen auf
Materialermüdung zu untersuchen. Die Arbeit war riskant: Jede
Unaufmerksamkeit konnte dazu führen, dass der Techniker als
unerwünschtes Schmiermittel zwischen die Teile gelangte.
    Das war natürlich nicht alles. Die Organisation des
Maschinenraums umfasste noch sehr viel mehr. Irgendwo war eine kleine
Gießerei Tag und Nacht damit beschäftigt, Ersatzteile
herzustellen. Die großen Komponenten mussten in Werken am Rand
des Weges produziert werden, aber der Zeitaufwand für
Bestellung und Lieferung war hoch. Die Maschinenraumtechniker waren
stolz darauf, dass sie sich bei kurzfristigen Reparaturen zu behelfen
wussten und oft einzelne Teile für eine ganz andere als die
ursprünglich vorgesehen Funktion verwendeten. Letztlich ging es
nur um eines: Die Kathedrale musste um jeden Preis in Bewegung
bleiben. Man verlangte nichts Unmögliches von ihnen – die
Geschwindigkeit betrug schließlich nur ein Drittel Meter pro
Sekunde. Ein Mensch konnte schneller kriechen. Nicht die
Geschwindigkeit war also das Problem, sondern die Tatsache, dass die
Fahrt niemals unterbrochen werden durfte.
    »Generalmedikus, kann ich Ihnen helfen?«
    Grelier sah sich um: Von einem der Laufstege schaute ein Mann zu
ihm herab. Er trug den grauen Overall eines Maschinenraumtechnikers,
und seine Hände, die den Handlauf umfassten, steckten in
übergroßen Handschuhen. Sein kugelrunder Kopf war mit
bläulichen Stoppeln bedeckt, um den Hals hatte er ein
schmutziges Tuch gebunden. Grelier erkannte ihn. Es war Glaur, einer
der Schichtleiter.
    »Könnten Sie vielleicht kurz herunterkommen?«, bat
er.
    Glaur überquerte sofort den Laufsteg und verschwand zwischen
den Maschinen. Grelier klopfte mit seinem Krückstock gelangweilt
gegen den genieteten Metallboden,

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