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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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wohl
doch noch etwas bis zu seinem Gehirn gedrungen: oder aber das Wimmern
war Ausdruck tiefer Erleichterung.
    Jaccottet kniete neben ihm nieder und löste eine Tasche mit
Verbandszeug von seinem Gürtel. Clavain hatte Recht behalten:
Der Blutverlust war sehr gering. Er drückte den Armstumpf fest
gegen den Unterleib, während Jaccottet den Verband
vorbereitete.
    Von der abgetrennten Hand kam ein leises Rascheln. Die schwarzen
Maschinen lösten sich aus den Fleischresten. Sie bewegten sich
zögernd, als fehle ihnen die Energie, die sie aus der Wärme
des lebenden Körpers gezogen hatten. Der Würfelstrom
entfernte sich von der Hand, wurde zusehends langsamer und hielt
schließlich an. Nun sah er genauso aus wie die inaktiven
Maschinen überall im Schiff. Die Hand blieb zurück,
übersät mit frischen Blutergüssen und Altersflecken,
aber noch großenteils vollständig. Nur die Fingerspitzen
waren bis zum ersten Glied abgefressen.
    Scorpio schaltete das Messer aus und legte es auf den Boden.
»Es tut mir Leid, Nevil.«
    »Ich habe sie schon einmal verloren«, sagte Clavain.
»Es ist wirklich nicht so schlimm. Du hast nur getan, was
nötig war, und dafür bin ich dir dankbar.« Er
ließ sich zurücksinken und schloss für Sekunden die
Augen. Seine Atemzüge klangen so rau und
ungleichmäßig wie die Sägestriche eines
Anfängers.
    »Kannst du es ertragen?«, fragte Scorpio mit einem Blick
auf die abgetrennte Hand.
    Clavain antwortete nicht.
    »Ich weiß zu wenig über Synthetiker, um beurteilen
zu können, wie sehr ihm der Schock zusetzt«, sagte
Jaccottet leise. »Fest steht nur, dass der Mann jetzt viel Ruhe
braucht. Er ist nicht mehr jung, und die Zusammensetzung der
Maschinchen in seinem Blut wurde schon lange nicht mehr korrigiert.
Die Amputation könnte ihn sehr viel härter getroffen haben,
als wir dachten.«
    »Wir müssen weiter«, sagte Khouri.
    »Sie hat Recht.« Clavain regte sich. »Kann mir
bitte jemand beim Aufstehen helfen? Ich habe mich beim letzten Mal
von einer verlorenen Hand nicht aufhalten lassen und werde es auch
diesmal nicht tun.«
    »Moment noch«, bat Jaccottet. Der Notverband war noch
nicht fertig.
    »Du musst hier bleiben, Nevil«, sagte Scorpio.
    »Wenn ich hier bleibe, Scorp, bin ich schon tot.«
Stöhnend versuchte Clavain, allein auf die Beine zu kommen.
»Nun hilf mir doch endlich, verdammt noch mal!«
    Scorpio zog ihn hoch. Clavain schwankte. Wieder presste er den
Stumpf gegen den Unterleib.
    »Ich finde trotzdem, du solltest hier auf uns
warten.«
    »Scorp, wir sind alle in Gefahr zu erfrieren. Dir macht die
Kälte nicht weniger zu schaffen als mir. Im Moment können
wir sie nur mit Adrenalin und mit Bewegung bekämpfen. Und
deshalb empfehle ich Bewegung.« Clavain bückte sich,
hob sein Messer auf und steckte es ein. »Nur gut, dass ich es
mitgenommen habe«, sagte er.
    Scorpio schaute zu Boden. »Was ist mit der Hand?«
    »Lass sie liegen. Ich lasse mir eine neue
züchten.«
    Sie folgten dem kalten Luftzug in den vorderen Teil von Skades
Schiff.
    »Bilde ich es mir nur ein«, fragte Khouri, »oder
hat eben die Musik gewechselt?«
    »Sie haben Recht«, antwortete Clavain. »Aber es ist
immer noch Bach.«

 
Zwanzig
Hela

2727
     
     
    Rachmika stand am Fenster, als der Eisjammer auf die
vorbeiziehende Straße hinabgelassen wurde. Mit leisem Scharren
setzten die Skier auf der Oberfläche auf. Zwei Männer in
Druckanzügen, die auf dem Dach standen, lösten die Haken
und ließen sich von den Winden hochziehen und auf das Dach des
Karawanenwagens schwenken. Crozets winziges Gefährt hüpfte
und schwankte noch ein paar hundert Meter neben der Karawane her,
dann ließ es den polternden Zug langsam an sich vorbeirollen.
Rachmika schaute ihm nach, bis es hinter den knirschenden Rädern
einer der Maschinen verschwand.
    Dann trat sie von dem schrägen Fenster zurück. Es war
vorüber: Sie hatte alle Brücken hinter sich abgebrochen.
Doch sie war immer noch fest entschlossen, ihren Weg fortzusetzen.
Komme, was da wolle, sie würde sich nicht aufhalten lassen.
    »Sie haben sich also entschieden, wie ich sehe.«
    Rachmika drehte sich erschrocken um, als sie Quästor
Jones’ Stimme hörte. Sie hatte geglaubt, allein im Raum zu
sein.
    Das grüne Schoßtier des Quästors putzte sich mit
seinem heilen Ärmchen das Gesicht. Den Schwanz hatte es wie eine
Staubinde um den Oberarm seines Herrn gewickelt.
    »Die Entscheidung stand schon seit langem fest«, sagte
sie.
    »Ich hatte gehofft, der Brief

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