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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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das Gewehr und ließ sich neben dem
schwarzen Panzer auf den Boden nieder. »Skade ist es
nicht«, sagte sie. »Zu groß, und der Helm hat
für ihren Mähnenkamm nicht die richtige Form. Fangen Sie
etwas auf, Clavain?«
    »Nichts, was ich verstehen könnte«, sagte er. Er
schaltete das flimmernde Messer aus und steckte es in eine seiner
Taschen. »Aber sollten wir nicht den Helm abnehmen, um zu sehen,
woran wir sind?«
    »Wir haben keine Zeit zu verlieren«, mahnte Scorpio.
    Clavain löste bereits die Dichtungen. »Es dauert nur
einen Moment.«
    Scorpios Hände waren bereits starr vor Kälte, und er
zeigte erste Koordinationsstörungen. Clavain hatte sicherlich
die gleichen Probleme; und um den komplizierten Mechanismus des Helms
zu öffnen, war viel Kraft und Fingerspitzengefühl
nötig.
    Man hörte ein Klicken, ein metallisches Scharren und
schließlich das Zischen des Druckausgleichs. Der Helm
löste sich. Clavain hob ihn mit zitternden Fingern ab und legte
ihn vorsichtig mit der Öffnung nach unten auf das Eis.
    Vor ihnen lag eine junge Synthetikerin. Ihre Züge waren
ähnlich perfekt modelliert wie die ihrer Anführerin, aber
Skade war es eindeutig nicht. Ihr Gesicht war breit und flach, und
die blutleere Haut hatte die Farbe eines flimmernden Monitors. Der
Mähnenkamm – ein Grat aus Knochen- und Knorpelmasse zur
Ableitung überschüssiger Wärme, der von der Stirn bis
in den Nacken reichte – war nicht so extravagant, wie Scorpio
ihn von Skade in Erinnerung hatte, und er verriet wohl auch nicht so
deutlich, in welcher geistigen Verfassung sie sich befand.
Wahrscheinlich enthielt er fortgeschrittenere neuronale Systeme, die
weniger Abwärme produzierten.
    Ihre Lippen waren grau, und die Augenbrauen glänzten
weiß wie Chrom. Nun schlug sie die Augen auf. Im Schein der
Taschenlampe leuchtete die Iris so blaugrau wie Stahl.
    »Sprich mit mir«, sagte Clavain.
    Sie hustete und lachte gleichzeitig. Alle sahen schockiert den
menschlichen Ausdruck auf der starren Maske.
    Khouri beugte sich über sie. »Ich empfange nur
Salat«, sagte sie.
    »Etwas stimmt nicht mit ihr«, antwortete Clavain leise.
Er schob die Hand unter den Kopf der Frau und hob ihn ein wenig an.
»Hör mir genau zu. Wir tun dir nichts. Du bist verletzt,
aber wenn du uns hilfst, kümmern wir uns um dich. Kannst du mich
verstehen?«
    Wieder lachte die Frau, ihre Züge verzerrten sich.
»Du…«, begann sie.
    Clavain beugte sich tiefer. »Ja?«
    »Clavain.«
    Clavain nickte. »Ja, ich bin es.« Er sah die anderen an.
»Der Schaden kann so groß nicht sein, wenn sie mich
erkennt. Wir werden sicherlich…«
    Die Verletzte sprach weiter. »Clavain. Der Schlächter
von Tharsis.«
    »Das ist lange her.«
    »Clavain. Der Fahnenflüchtige. Der Verräter.« Sie lächelte wieder, dann hustete
sie und spie ihm ins Gesicht. »Du hast das Mutternest
verraten.«
    Clavain wischte sich mit dem Handschuh den Speichel ab.
»Nicht ich habe das Mutternest verraten«, sagte er
beängstigend ruhig. »Die Verräterin war Skade.«
Er hörte sich an wie ein freundlicher Onkel, der seine Nichte
bei einem kleinen geografischen Irrtum ertappt hatte.
    Die Verletzte lachte und spuckte ihn noch einmal an. Scorpio
hätte nicht gedacht, dass sie noch so viel Kraft hätte. Der
Speichel traf Clavain ins Auge. Er stieß ein Zischen aus vor
Schmerz.
    Clavain beugte sich noch tiefer über die Synthetikerin und
legte ihr die Hand auf den Mund. »Ich glaube, hier gibt es
einiges zu tun. Wir müssen dich umerziehen und deine Einstellung
korrigieren. Aber das macht nichts. Ich habe viel Zeit.«
    Wieder hustete die Frau. Sie rang nach Luft, aber ihre titangrauen
Augen strahlten vor Glück. Scorpio kam sie ein wenig
schwachsinnig vor.
    Unter dem Panzer verfiel der Körper in Krämpfe. Clavain
hielt ihr weiter den Kopf, ohne die Hand von ihrem Mund zu
nehmen.
    »So kann sie doch nicht atmen«, protestierte Khouri.
    Er hob die Hand ein wenig an. Die Frau lächelte weiter und
starrte mit aufgerissenen Augen zu ihm empor. Zwischen Clavains
Fingern zwängte sich, dämonisch wie eine Verkörperung
des Bösen, eine schwarze Masse hervor. Clavain zuckte zusammen
und ließ den Kopf los. Er fiel auf den Boden zurück. Das
Zeug quoll ihr in Strömen aus Mund und Nase und verschmolz zu
einem grausigen schwarzen Bart, der ihr Gesicht auffraß.
    »Lebende Maschinen«, sagte Clavain und trat zurück.
Schwarze Schleimschnüre hatten sich um seine Hand geschlungen.
Er wollte sie am Eis abklopfen, aber sie

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