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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Geschehen spielte sich also weit jenseits von
Ararats Ionosphäre ab. Hin und wieder mischte sich ein
bekannteres Phänomen darunter: das Aufblitzen einer
konventionellen Explosion oder ein Schauer exotischer Teilchen nach
einem fehlgegangenen Streifschuss aus einer Strahlenwaffe;
gelegentlich auch das harte Aufleuchten von Raumschiffabgasen, eines
Raketenschweifs oder eines verschlüsselten
Kommunikationsstrahls. Doch zumeist wurde der Krieg über Ararat
mit Waffen und Methoden geführt, die niemand zu begreifen
vermochte.
    Nur eines war klar: Die Lichter wurden von Stunde zu Stunde heller
und vielfältiger. Und im Umkreis der Bucht tauchten immer neue
dunkle Inseln aus dem Wasser, verschmolzen miteinander und
veränderten ihre Form so schnell, dass das Auge nicht zu folgen
vermochte. Die Bewegungen hatten kein erkennbares Ziel, sondern
schienen von einem blinden Herdentrieb gesteuert zu sein. Die
Angehörigen des Schwimmerkorps, die sich auf Schieberkontakte
spezialisiert hatten, beobachteten das Meer voller Unruhe und wagten
sich nicht hinein. Und je heller die Lichter wurden, je stärker
sie wechselten, desto hektischer wurde auch die Aktivität der
Inseln im Meer.
    Auch Ararats Eingeborene hatten die Besucher bemerkt.

 
Hela

2727
     
     
    In der großen Halle der Morwenna nahm Grelier auf
einem der vielen Stühle Platz, die vor dem schwarzen Fester
aufgestellt waren. In der Halle war es dämmrig, vor allen
Buntglasfenstern hatte man die Außenjalousien aus Metall
herabgelassen. Einige elektrische Lampen erleuchteten den Zuschauern
den Weg zu ihren Plätzen, doch sonst waren die flackernden
Kerzen, die in großer Zahl in Wandhaltern steckten, die einzige
Lichtquelle. Sie ließen die Szene so streng und feierlich
wirken wie ein altes Gemälde und verliehen allen Gesichtern
– vom höchsten Würdenträger des Glockenturms bis zum einfachsten Maschinenraumtechniker – einen Hauch von
Aristokratie. Von dem schwarzen Fenster selbst war natürlich
nichts zu sehen, man konnte es in seinem gemauerten Bogen nur
erahnen.
    Grelier warf einen Blick über die Versammelten. Bis auf eine
Notmannschaft, die sich um die lebenswichtigen Funktionen
kümmerte, war offenbar die gesamte Bevölkerung der
Kathedrale gekommen. Von den fünftausend Menschen kannte er
viele, die das nie erwartet hätten, mit Namen, die anderen waren
ihm mit Ausnahme von ein paar hundert Gesichtern wenigstens vom Sehen
bekannt. Er fand die vielen Menschen, besonders die Vorstellung, dass
sie alle durch Blutsbande miteinander verbunden waren, ungeheuer
erregend. Er glaubte die Bande fast zu sehen, dichte Netze, Fahnen
und Tücher, scharlachrot und kastanienbraun, ein detailreicher
Bildteppich, über den man nur staunen konnte.
    Das Stichwort Blut brachte ihn auf Harbin Els. Grelier hatte
Quaiche nicht belogen. Der junge Mann war tot, bei
Räumungsarbeiten ums Leben gekommen. Nach jenem ersten
Vorstellungsgespräch auf der Karawane hatten sich ihre Wege nie
wieder gekreuzt, obwohl Grelier wach gewesen war, als Harbin auf der Morwenna Dienst tat. Harbin war tatsächlich durch die
Maschinerie des Blutzoll-Offiziums gegangen, war aber von
Greliers Assistenten und nicht vom Generalmedikus persönlich
betreut worden. Doch man hatte seine Probe wie alles von der
Kathedrale gesammelte Blut katalogisiert und in der Blutbank der Morwenna gelagert. Nachdem das Mädchen nun abermals in
Greliers Leben getreten war, hatte er diese Probe für alle
Fälle aus der Blutbank kommenlassen und sie einer eingehenden
Analyse unterzogen.
    Es war ein Schuss ins Blaue, aber die Mühe könnte sich
lohnen. Grelier stellte sich seit Längerem die Frage, ob die
Fähigkeit des Mädchens erlernt oder angeboren war. Und wenn
sie angeboren war, ob es in ihrer DNA irgendeinen Auslöser
dafür gab. Er wusste, dass unter tausend Menschen nur einer
überhaupt imstande war, Mikroausdrücke zu erkennen und zu
deuten. Und kaum jemand beherrschte das in solchem Maß wie
Rachmika Els. Natürlich war dergleichen auch erlernbar, aber
Menschen wie Rachmika brauchten keine Ausbildung: Sie erkannten die
Anzeichen mit traumwandlerischer Sicherheit. Ihre Beobachtungsgabe
war mit dem absoluten Gehör zu vergleichen. Seltsam fanden sie
nur, dass nicht auch alle anderen so reagierten. Doch deshalb musste
es sich noch nicht um eine rätselhafte, übernatürliche
Eigenschaft handeln. Aus gesellschaftlicher Sicht war die
Fähigkeit eine schwere Belastung. Wer damit geschlagen war,
musste darauf verzichten,

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