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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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einfach sein, aber wir können
mehrere Tage mit normaler Geschwindigkeit fahren. Vielleicht bedarf
es noch weiterer Sprengladungen, aber die Hauptmasse ist nicht mehr
da und behindert uns. Dafür danken wir Gott. Doch die Zeit, die
wir verloren haben, lässt sich nicht so leicht
aufholen.«
    Wieder umfasste Grelier seinen Krückstock fester.
    »Die anderen Kathedralen mögen versuchen, die
Verspätung wettzumachen«, fuhr Quaiche fort. »Sie
werden sich alle Mühe geben. Ja, die Jarnsaxa-Ebene liegt vor
uns, und dort wird man sich ein Rennen liefern. Die Morwenna ist nicht die schnellste Kathedrale auf dem Weg, diesen
billigen Triumph hat sie nie angestrebt. Aber was hat es für
einen Sinn, verlorenen Boden auf der Ebene gut zu machen, wenn gleich
dahinter die Teufelstreppe liegt? Normalerweise würden wir
versuchen, Haldora bis zu diesem Punkt voranzueilen und einen
Zeitvorsprung herauszufahren, bevor wir uns an den langsamen und
schwierigen Abstieg über die Treppe machen. Diesen Luxus
können wir uns diesmal nicht leisten. Wir haben in einer Phase,
in der wir uns das am wenigsten erlauben können, wichtige Tage
verloren.«
    Quaiche wartete einen Augenblick, wohl wissend, dass ihm die
entsetzte Versammlung atemlos lauschte. »Aber es gibt noch eine
andere Möglichkeit«, sagte er endlich und beugte sich auf
seiner Kanzel so weit vor, dass er aus dem Krankenstuhl zu kippen
drohte. »Eine Lösung, die Mut und Glauben erfordert. Wir
brauchen die Teufelstreppe gar nicht zu nehmen. Es gibt eine andere
Route über die Ginnungagap-Spalte. Ihr wisst natürlich
alle, wovon ich spreche.«
    Grelier hörte durch die Panzerung, wie überall an der
Kathedrale die Außenläden rasselnd hochgezogen wurden. Die
gewöhnlichen Buntglasfenster wurden in strenger Reihenfolge
wieder freigegeben und vom Licht durchflutet. Normalerweise wäre
er gebührend beeindruckt gewesen, aber die Erinnerung an das
schwarze Fenster war noch nicht erloschen, sein Nachbild geisterte
immer noch durch sein Blickfeld. Wer einmal nukleares Feuer durch
Schweißglas gesehen hatte, für den war alles andere so
blass wie ein Aquarell.
    »Gott gab uns eine Brücke«, sagte Quaiche.
»Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir sie auch
benutzen.«
     
    Rachmika konnte es nicht lassen, wieder auf das Dach der Karawane
zu steigen und von einem Wagen zum anderen zu wechseln, bis sie die
schrägen Plattformen mit den Observatoren erreichte. Die
identisch glatten, ordentlich aufgereihten Spiegelgesichter
erschienen ihr diesmal seltsam abstrakt, wie die Böden
übereinander gestapelter Flaschen in einem Keller oder die
Facetten einer der Messstationen für Gammastrahlen draußen
im Ödland. Sie wusste nicht, ob sie das mehr oder weniger
tröstlich fand als die Erkenntnis, dass es sich um menschliche
Individuen handelte – zumindest waren sie das gewesen, bis der
Zwang, zu Haldora emporzustarren, auch den letzten hartnäckigen
Rest einer Persönlichkeit aus ihrem Bewusstsein gelöscht
hatte.
    Die Karawane schlingerte gerade über ein
Straßenstück, das erst vor kurzem von Eisstürzen
befreit worden war. Hin und wieder – häufiger, wie ihr
schien, als noch einen Tag zuvor – schwenkte sie aus, um eine
Gruppe von Pilgern zu umfahren, die zu Fuß unterwegs waren. Die
Pilger sahen aus dieser Höhe klein und dumm aus. Die
Glücklicheren unter ihnen trugen Druckanzüge mit
geschlossenem Kreislauf, die auch längere Reisen über die
Oberfläche einer Welt gestatteten. Einige dieser Anzüge
linderten sogar Beschwerden, heilten kleinere Wunden und
betäubten arthritische Gelenke. Der Rest musste sich mit
Modellen behelfen, die nicht dafür gedacht waren, ohne Fahrzeug
mehr als ein paar Kilometer zurückzulegen. Diese Pilger trugen
sperrige, selbst gemachte Rucksäcke auf dem Rücken und
stapften schwerfällig dahin wie Bauern, die alle ihre Habe bei
sich trugen. Einige hatten sich so groteske Apparate
zusammengebastelt, dass sie ihre Habseligkeiten sowie die
provisorischen Lebenserhaltungssysteme auf Skiern oder Raupenketten
hinter sich herziehen mussten. Zu den Anzügen, Helmen,
Rucksäcken und den Gefährten im Schlepptau kamen
religiöse Symbole, die oft die Last noch beträchtlich
vergrößerten. Da gab es goldene Statuen, Kreuze, Pagoden
und Dämonen, Schlangen, Schwerter, Ritter in Rüstung,
Drachen, Seeungeheuer, Heilige Laden und hundert andere Dinge, die
Rachmika gar nicht erst zu identifizieren versuchte. Alles wurde mit
Muskelkraft und ohne mechanische

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