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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Messer zitterte in seiner Hand, als wäre es nicht ganz
gezähmt. Antoinette wartete nur darauf, dass es ihm aus der Hand
spränge.
    Ein Signalton war zu hören. Scorpio zuckte zusammen. Seine
Wut kühlte ein wenig ab. Er sah sich um, wo das Geräusch
herkam. Sein Armbandkommunikator hatte gepiepst.
    Er schaltete das Messer ab. Die Klinge beruhigte sich. Er steckte
es wieder ein.
    Dann sah er Valensin an und sagte nur: »Gehen Sie!«
    Der Doktor nickte kurz – sein Gesicht war immer noch zornrot
– und eilte hinter den Helfern her, die den Verletzten
weggetragen hatten.
    Scorpio hielt sich das Armband ans Ohr und lauschte einer
schrillen, weit entfernten Stimme. Nach einer Minute runzelte er die
Stirn und bat um Wiederholung. Die Stimme gehorchte, und seine
Stirnfalten wurden etwas flacher, verschwanden aber nicht ganz.
    »Was gibt es?«, fragte Antoinette.
    »Das Schiff«, sagte er. »Irgendetwas geht
vor.«
     
    Zehn Minuten später landete ein angefordertes
Evakuierungs-Shuttle eine Straße von der Hohen Muschel entfernt
zwischen den Gebäuden. Ein Trupp von Sicherheitsleuten
räumte die Umgebung und sorgte dafür, dass die kleine
Gruppe von Ältesten unbehelligt einsteigen konnte. Vasko ging
als Letzter nach Scorpio und Antoinette Bax an Bord, Blood und die
anderen am blieben Boden. Das Shuttle schwang sich wieder in die
Lüfte. Von seiner Unterseite fiel grell weißes Licht auf
die Wände der Gebäude. Die Bürger hielten sich die
Hand vor die Augen, wollten aber den Blick nicht abwenden. In Lager
eins war niemand mehr, der sich nicht an einen anderen Ort
gewünscht hätte. Aber es gab gerade noch Platz für die
drei, die eben eingestiegen waren. Das Shuttle war bereits bis zur
Kapazitätsgrenze mit Flüchtlingen beladen.
    Vasko spürte, wie die Maschine beschleunigte, und fasste nach
einem Griff an der Decke. Hoffentlich dauerte der Flug nicht allzu
lange. Die Flüchtlinge sahen ihn fassungslos an und schienen auf
eine Erklärung zu warten, die er ihnen nicht geben konnte.
    »Wo sollten sie eigentlich hin?«, fragte er den Dienst
habenden Sicherheitsmann.
    »In den Busch«, antwortete der leise. Damit war das vor
dem Meer geschützte Gelände im Landesinneren gemeint.
»Aber jetzt werden sie stattdessen zum Schiff gebracht. Zeit ist
kostbar, wir dürfen sie nicht vergeuden.«
    Die eiskalte Logik dieser Entscheidung verschlug Vasko die
Sprache. Aber in den Tiefen seines Herzens fand er sie auch
bewundernswert.
    »Und wenn ihnen das nicht passt?«, fragte er immer noch
leise.
    »Dann können sie sich beschweren.«
    Der Flug dauerte nicht lange. Diesmal war ein Pilot an Bord;
einige Evakuierungsflüge wurden vollautomatisch gesteuert, aber
dafür fiel dieser Flug zu sehr aus dem Rahmen. Sie flogen tief
über dem Meer und drehten dann eine große Schleife um den
Fuß des Schiffes. Vasko hatte Glück und stand an der Wand.
So konnte er sich ein Fenster öffnen und in den silbrigen Nebel
hinausschauen. Die Flüchtlinge umdrängten ihn, um besser
sehen zu können.
    »Schließen sie das Fenster«, sagte Scorpio.
    »Wie bitte?«
    »Sie haben richtig gehört.«
    »An Ihrer Stelle würde ich es tun«, sagte
Antoinette.
    Vasko ließ das Fenster verschwinden. Gerade heute war es
nicht ratsam, dem Schwein zu widersprechen. Er hatte ohnehin nichts
gesehen, das Schiff war nur ein verschwommener Schatten.
    Die Maschine stieg höher und umkreiste vermutlich weiter das
Schiff, dann wurde sie langsamer und landete auf festem Grund. Etwa
eine Minute später verriet ein Lichtstreifen, dass sich die
Ausstiegsluke öffnete. Die Flüchtlinge wurden
hinausgeführt. Vasko konnte nicht genau sehen, was sich dahinter
im Empfangsbereich abspielte. Er bekam nur mit, dass mehrere
SD-Wachen bereitstanden und die Neulinge ziemlich unsanft
zusammentrieben und abführten. Er hätte erwartet, dass die
Leute sich beklagen würden, sobald sie erkannten, dass man sie
nicht an den gewünschten Zufluchtsort auf dem Planeten gebracht
hatte, sondern zum Schiff, aber sie fügten sich alle in ihr
Schicksal. Vielleicht hatten sie ja noch gar nicht begriffen, dass
sie auf dem Schiff waren und nicht in einer Abfertigungshalle am
anderen Ende der Insel. In diesem Fall wollte er lieber
möglichst weit weg sein, wenn sie von der Planänderung
erfuhren.
    Bald waren alle Flüchtlinge draußen. Vasko erwartete
schon fast, ebenfalls hinauskomplimentiert zu werden, aber die drei
blieben mit dem Piloten an Bord. Die Luke wurde wieder geschlossen,
und das Flugzeug

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