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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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der Fieberfantasien
einer kranken Frau auf irgendeinen Mond fliegen«, sagte Hallatt,
einer der Ältesten aus den Reihen der Resurgam-Kolonisten, der
Khouri noch nie so recht getraut hatte.
    »Sie ist nicht krank«, widersprach Dr. Valensin.
»Sie ist erschöpft, und sie ist traumatisiert. Aber das ist
auch alles.«
    »Wollte sie nicht, dass man ihr das Baby wieder
einsetzt?«, höhnte Hallatt mit angewiderter Miene, als
wäre das der Gipfel der Perversion.
    »Das stimmt«, sagte Scorpio, »und ich habe
abgelehnt, obwohl die Bitte nicht unvernünftig war. Sie ist die
Mutter, und das Kind wurde entführt, bevor sie es zur Welt
bringen konnte. Unter diesen Umständen fand ich den Wunsch
durchaus begreiflich.«
    »Aber Sie haben dennoch abgelehnt«, sagte Hallatt.
    »Ich konnte nicht riskieren, Aura zu verlieren. Wir haben
einen hohen Preis für sie bezahlt.«
    »Dann hat man Sie betrogen«, sagte Hallatt. »Der
Preis war nämlich zu hoch. Wir haben Clavain verloren und
dafür ein hirngeschädigtes Kind bekommen.«
    »Wollen Sie damit sagen, Clavain wäre umsonst
gestorben?«, fragte Scorpio mit gefährlich sanfter
Stimme.
    Das Schweigen zog sich in die Länge, als wäre das Band
einer Aufzeichnung hängen geblieben. Antoinette erkannte
bestürzt, dass sie nicht die Einzige war, die über die
Geschehnisse im Eisberg nicht Bescheid wusste. Auch Hallatt war
offenbar nicht genauer informiert, aber er kokettierte noch mit
seiner Unwissenheit und überschritt dabei Grenzen, ohne es zu
merken.
    »Ich weiß nicht, wie er starb. Es geht mich nichts an,
es kümmert mich nicht. Aber wenn er nur um Auras willen starb,
nein, dann hat es sich nicht gelohnt. Dann war sein Tod
sinnlos.« Hallatt verschränkte die Finger, schob trotzig
die Lippen vor und sah Scorpio an. »Auch wenn Sie es nicht gerne
hören, so ist es nun einmal.«
    Scorpio warf Blood einen Blick zu. Die beiden führten stumme
Zwiesprache: ein subtiles Wechselspiel von winzigen Gesten, deren
Bedeutung kein außen Stehender entschlüsseln konnte, weil
die Beteiligten sich zu gut kannten. Es dauerte nur einen Moment.
Antoinette wusste nicht, ob es sonst noch jemand bemerkt hatte.
Vielleicht hatte sie es sich auch nur eingebildet.
    Doch im nächsten Moment senkte Hallatt den Blick. Etwas
steckte in seiner Brust.
    Blood erhob sich so bedächtig, als wollte er nur ein schiefes
Bild gerade rücken, und schlenderte breitbeinig und schwankend,
mit den trägen, rhythmischen Bewegungen eines Metronoms auf
Hallatt zu.
    Hallatt würgte und keuchte. Seine Finger zerrten kraftlos am
Griff von Bloods Messer.
    »Schafft ihn hier raus«, befahl Scorpio.
    Blood zog sein Messer aus Hallatts Brust, wischte es am
Oberschenkel ab und steckte es in die Scheide zurück. Die Wunde
blutete erstaunlich wenig.
    Valensin wollte aufstehen.
    »Sie bleiben, wo Sie sind«, befahl Scorpio.
    Blood hatte bereits zwei Sicherheitsleute gerufen. Sie kamen
innerhalb einer Minute und stutzten nur einen Moment, bevor sie
angemessen reagierten. Antoinette gab ihnen dafür Bestnoten.
Hätte sie einen Raum betreten, in dem gerade ein Mensch an einem
Messerstich verblutete, sie hätte sich sehr zusammennehmen
müssen, um nicht ohnmächtig zu werden.
    »Ich gehe ihm nach«, sagte Valensin und stand auf, als
die SD-Leute Hallatt hinausbrachten.
    »Ich sagte, Sie bleiben, wo Sie sind«, wiederholte
Scorpio.
    Der Doktor schlug mit der Faust auf den Tisch. »Du hast eben
einen Mann getötet, du brutaler kleiner Schwachkopf! Jedenfalls
wird er sterben, wenn er nicht sofort ärztlich versorgt wird.
Wollen Sie ihn wirklich auf dem Gewissen haben, Scorpio?«
    »Sie bleiben, wo Sie sind!«
    Valensin ging einen Schritt auf die Tür zu. »Nur zu.
Halten Sie mich auf, wenn Ihnen so viel daran liegt. Die Macht dazu
haben Sie ja.«
    Scorpios Gesicht verzerrte sich zu einer Maske aus Wut und Hass,
wie Antoinette sie noch nie gesehen hatte. Sie hätte nicht
gedacht, dass Schweinegesichter für eine so extreme Mimik
beweglich genug wären.
    »Ich werde Sie aufhalten, verlassen Sie sich drauf.«
Scorpio griff seinerseits in eine Tasche oder eine Scheide – was
immer unter dem Tisch verborgen war – und zog ein Messer, das
Antoinette völlig unbekannt war. Auf irgendeinen Befehl des
Schweins begann die Klinge zu flimmern.
    »Scorpio«, sagte sie und stand auf. »Lassen Sie ihn
gehen. Er ist Arzt.«
    »Hallatt stirbt.«
    »Es sind genug Menschen gestorben«, widersprach
Antoinette. »Ein Toter mehr macht es nicht besser.«
    Das

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