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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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und auf
einen Besuch von ihr wartete – nur dass von Warten im
üblichen Sinn nicht die Rede sein konnte. Shizuko mochte
spüren, dass ihre Freundin bald kommen würde, und sie
mochte sich auch in irgendeiner Form darauf einstellen. Doch wenn
Marl dann eintraf, sah Shizuko sie nur mit mäßigem
Interesse an wie einen Riss in der Wand, den sie noch nicht kannte,
oder eine Wolkenformation, die eine flüchtige Erinnerung weckte.
Falls so etwas wie Interesse aufflackerte, war es schon fast wieder
erloschen, bis Marl es bemerkte. Manchmal lachte Shizuko, aber es war
das Lachen einer Schwachsinnigen, schrill wie blecherne
Glöckchen.
    Dann begann sie wieder an die Wand zu kratzen. Sie blutete immer
unter den Fingernägeln, die Stifte und Kreiden, die man ihr
anbot, ignorierte sie. Marl hatte ihre Besuche vor einigen Monaten
eingestellt. Nachdem sie sich eingestanden und sich damit abgefunden
hatte, dass sie Shizuko nichts mehr bedeutete, hatte sich die
Spannung gelöst. Doch dafür fühlte sie sich nun
gedemütigt und schwach, und ihr Selbstbewusstsein hatte sehr
gelitten.
    Jetzt dachte sie an Vasko. An die Leichtfertigkeit, mit der er
seine Gemeinplätze von sich gegeben hatte, an seine feste
Überzeugung, die Schwimmer wagten sich nur aus Angst nicht ins
Meer.
    Dafür hasste sie ihn.
    Marl machte den ersten Schritt ins Wasser. Etwa zwölf Meter
weit draußen spürte ein Floß aus grüner
Materie, dass sie sein Reich betreten hatte, und begann sich um sich
selbst zu drehen. Marl holte tief Luft. Sie fürchtete sich zu
Tode. Der Streifen auf ihrer Stirn hatte zu brennen begonnen. Sie
fühlte sich einer Ohnmacht nahe.
    »Hier bin ich«, sagte sie und ging auf die Masse aus
Schieberorganismen zu. Das Wasser reichte ihr bis zu den Schenkeln,
bis zur Taille, wurde noch tiefer. Die Biomasse bildete Formen aus,
immer schneller, immer hektischer, sie spürte den Wind der
Transformationen im Gesicht. Fremde Anatomien in endlosem Wechsel.
Eine Monsterprozession. Das Wasser war nun so tief, dass sie nicht
mehr stehen konnte. Sie stieß sich vom Felsgrund ab und schwamm
hinaus.
     
    Vasko sah die anderen an. »Quaiche? Das sagt mir ebenso wenig
wie das erste Wort.«
    »Mir ging es zunächst ebenso«, sagte Scorpio.
»Bei diesem ersten Wort war ich mir zunächst nicht einmal
über die Schreibweise sicher. Aber mit dem zweiten Wort ist
alles klar. Jetzt gibt es keinen Zweifel mehr.«
    »Dürften wir mehr darüber erfahren?«, fragte
Liu.
    Scorpio deutete auf Orca Cruz.
    »Scorp hat Recht«, sagte sie. »Für sich allein
hat ›Hela‹ keine bestimmte Bedeutung. Wenn man in den
Datenbanken danach sucht, die wir von Resurgam oder Yellowstone
mitgebracht haben, findet man tausende von möglichen
Erklärungen. Auch wenn man verschiedene Schreibweisen
ausprobiert. Gibt man aber Quaiche und Hela ein, dann sieht die Sache
ganz anders aus. Es gibt tatsächlich nur eine einzige
Erklärung, so abstrus die auch sein mag.«
    »Ich kann es nicht erwarten, sie zu hören«, sagte
Liu. Auch Vasko nickte. Antoinette sagte nichts und ließ auch
kein besonderes Interesse erkennen, aber sie war natürlich nicht
weniger gespannt.
    »Hela ist eine Welt«, sagte Cruz. »Nicht besonders
groß, ein mittlerer Mond, der einen Gasriesen namens Haldora
umkreist. Klingelt es immer noch nicht?«
    Niemand sagte etwas.
    »Und ›Quaiche‹?«, fragte Vasko. »Ist das
auch ein Mond?«
    Cruz schüttelte den Kopf. »Nein. Quaiche ist ein Mensch,
der Mann, der Hela und Haldora ihre Namen gab. In der gängigen
Nomenklatur-Datenbank ist er nicht verzeichnet, aber das ist nicht
verwunderlich – es ist mehr als sechzig Jahre her, seit diese
Datenbank durch direkten Kontakt mit anderen Schiffen aktualisiert
wurde. Doch seit wir auf Ararat sind, fangen wir vereinzelte Signale
von anderen Ultra-Elementen auf. In letzter Zeit sind es mehr
geworden – sie senden öfter als früher mit Widebeam
auf große Entfernungen, und gelegentlich streicht eines von den
Signalen zufällig über uns hinweg.«
    »Warum die neue Taktik?«, fragte Vasko.
    »Sie haben vor irgendetwas Angst«, sagte Cruz. »Sie
sind nervös und wollen ihre Geschäfte nicht mehr
persönlich abwickeln. Offenbar hatten einige von den Ultras eine
Begegnung, die ihnen nicht geheuer war. Nun sind sie vom Handel mit
Waren auf den Handel mit Daten umgestiegen, um auf diese Weise die
Nachricht zu verbreiten.«
    »Und was sie erschreckt hat, ist nicht schwer zu
erraten«, sagte Vasko.
    »Für uns ist es jedenfalls von

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