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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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langsamen und nicht sehr zuverlässigen
Interpretationsprogramm analysierte. Für einen Ultra hatte er
eine sehr ausgeprägte Mimik. In Echtzeit fiel sie mir allerdings
nicht auf, und auch als das Programm sie erfasste, sah ich
zunächst nichts. Nicht intuitiv. Nicht so wie Sie, Rachmika: als
stünden ihm die Gedanken in Leuchtschrift ins Gesicht
geschrieben.«
    »Er hatte jedenfalls etwas zu verbergen«, sagte sie.
»Und wenn Sie beim Thema Waffen hartnäckiger gewesen
wären, hätte er Sie sicherlich angelogen.«
    »Seine Bewaffnung ist also nicht so gut, wie er
vorgibt«, sagte Quaiche.
    »Dann können wir ihn nicht gebrauchen«,
erklärte Grelier. »Streichen Sie ihn von der
Liste.«
    »Vorläufig lassen wir ihn noch stehen. Das Wichtigste
ist das Schiff. Aufrüsten können wir es auch später
noch, wenn wir es für erforderlich halten.«
    Grelier hob den Kopf und sah seinen Herrn und Meister fragend an.
»Wollten wir nicht genau das vermeiden?«
    »Mag sein.« Quaiche nahm die Stichelei offenbar
übel. »Aber er ist schließlich nicht der einzige
Kandidat. In der Kathedrale warten noch zwei weitere. Kann ich davon
ausgehen, Rachmika, dass Sie bereit wären, auch diesen beiden
Gesprächen beizuwohnen?«
    Sie goss sich noch eine Tasse Tee ein. »Herein mit
ihnen«, sagte sie. »Ich habe weiter nichts vor.«

 
Vierunddreißig
Im interstellaren Raum,
unweit von p Eridani 40

2675
     
     
    Scorpio wanderte schon seit Stunden durch das Schiff. Auf den
oberen Decks, wo die Neuankömmlinge abgefertigt wurden,
herrschte immer noch das Chaos. Auch anderswo gab es Dutzende von
kleineren Chaosherden. Aber die Sehnsucht nach Unendlichkeit war ein wahrhaft riesiges Raumschiff, und er konnte kaum fassen,
wie wenig von den siebzehntausend Passagieren zu sehen war, nachdem
er die streng überwachten Abfertigungszonen hinter sich gelassen
hatte. In den meisten Schiffsbereichen gähnten leere Räume,
in denen jeder Schritt widerhallte, so als wären alle
Neuankömmlinge nur Halluzinationen, Geistererscheinungen
gewesen.
    Aber das Schiff war auch jenseits der Abfertigungszonen nicht
völlig verlassen. Er blieb vor einem Fenster stehen und schaute
in einen tiefen, senkrechten Schacht, der rot erleuchtet war. Auch
die Metallkonstruktion, die darin Gestalt annahm, war in rosiges
Licht getaucht. Sie war ihm vollkommen fremd und weckte doch starke
Erinnerungen – an die Bäume, die er auf der Lichtung
gesehen hatte. Allerdings bestand dieser Baum aus unzähligen
Klingen, hauchdünnen Blättern, spiralförmig um einen
schmalen Kern angeordnet, der sich durch den ganzen Schacht zog. Eine
Fülle von Details – zu zahlreich, um sie aufzunehmen. Zu
viel Geometrie; zu viele verschiedene Perspektiven. Der Anblick
bereitete ihm Kopfschmerzen, die ganze Skulptur war ein einziger
Angriff auf sein Wahrnehmungsvermögen.
    Servomaten huschten wie schwarze Käfer mit sparsamen,
vorsichtigen Bewegungen zwischen den Blättern umher, menschliche
Gestalten in schwarzen Anzügen hingen in sicherem Abstand von
den zarten Schnörkeln an Klettergeschirren. Die Servomaten
trugen passgenau zugeschnittene Metallfolien auf dem Rücken und
schoben sie in die entsprechenden Öffnungen. Die Menschen –
es waren Synthetiker – taten scheinbar nicht viel, sie hingen
nur in ihren Geschirren und beobachteten die Maschinen. Aber sie
waren dabei hoch konzentriert. Vermutlich steuerten sie die Arbeiten
auf mehreren Bewusstseinsebenen gleichzeitig.
    Sie waren nicht die einzigen Synthetiker an Bord. Es gab noch
Dutzende, hunderte mehr. Scorpio vermochte sie kaum auseinander zu
halten. Bis auf kleinere Unterschiede in Hautfarbe, Knochenbau und
Geschlecht wirkten sie mit ihren charakteristischen
Mähnenkämmen alle wie aus einem Guss. Es waren Synthetiker
der jüngsten Generation, Angehörige von Skades
Sonderkommando. Sie redeten nicht miteinander und sprachen auch
sichtlich ungern mit Nicht-Synthetikern. Wenn sie dazu gezwungen
waren, stammelten sie und machten elementare Aussprache-, Grammatik-
und Syntaxfehler, für die sich ein Schwein geschämt
hätte. Scorpio wusste, dass sie auf einer ausschließlich
nonverbalen Ebene funktionierten und kommunizierten. Für sie war
gesprochene Sprache – auch wenn sie durch die
Bewusstseinsverbindung beschleunigt wurde – so primitiv wie eine
Verständigung durch Rauchzeichen. Clavain und Remontoire wirkten
daneben wie grunzende Steinzeitmenschen. Selbst Skade musste sich
neben diesen schnittigen neuen Geschöpfen

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