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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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genügt mir völlig«, sagte Rachmika.
    Grelier lächelte und ließ sie allein. Sie sagte nichts,
als er ging. Es hatte ihr nicht gefallen, dass er ihr Blut abnahm,
aber sie hatte nicht gewusst, wie sie sich dagegen wehren sollte. Ihr
Unbehagen rührte nicht nur daher, dass ihr die Verbindung von
Kirchen und Blut unheimlich war – Indoktrinationsviren waren
bekanntlich ein fester Bestandteil des adventistischen Glaubens
–, sondern hatte noch eine andere Ursache, die mit ihrem eigenen
Blut zu tun hatte. Sie hatte sich vergewaltigt gefühlt, als er
ihr etwas davon abzapfte. Zuvor war die Spritze leer gewesen, das
bedeutete – vorausgesetzt, die Nadel war steril –, er hatte
nicht versucht, sie mit dem Indoktrinationsvirus zu impfen. Auch das
wäre eine Art von Vergewaltigung gewesen, aber nicht
zwangsläufig schlimmer. Sie fand die Vorstellung, dass er nun
ihr Blut in Händen hatte, nicht weniger beängstigend.
    Aber warum störte sie das so sehr? Im Grunde genommen war es
doch eine vernünftige Maßnahme, jedenfalls innerhalb der Morwenna. Hier lief alles über Blut ab, was konnte sie
also dagegen haben, dass man auch von ihr eine Probe nahm? An sich
hätte sie dankbar sein müssen, dass das alles war.
    Aber sie spürte keine Dankbarkeit. Sie spürte nur eine
Angst, die sie sich nicht erklären konnte.
    Da saß sie nun in dem stillen Zimmer, angestrahlt vom
Grabeslicht des Buntglasfensters, und fühlte sich
mutterseelenallein. Hatte sie alles falsch gemacht? Die Kirche kam
ihr nicht mehr ganz so fern und abstrakt vor. Seit sie in ihr
pochendes Herz vorgedrungen war, erschien sie ihr eher wie eine
Maschine, die fähig war, jeden zu verletzen, der zu nahe an ihre
beweglichen Teile geriet. Obwohl sie sich nie ausdrücklich
vorgenommen hatte, sich an Quaiche zu wenden, hatte sie es für
selbstverständlich gehalten, dass ihr nur jemand, der in der
adventistischen Hierarchie sehr weit oben stand, die Wahrheit
über Harbin enthüllen könnte. Aber sie hatte auch
damit gerechnet, dass der Weg dorthin tückisch und Zeit raubend
sein würde. Sie hatte sich auf mühselige und
zermürbende Ermittlungen eingestellt, auf einen langen Weg durch
viele Bürokratieschichten, angefangen von einem Räumtrupp,
der untersten Stufe, die überhaupt möglich war.
    Und nun war sie auf einmal hier und arbeitete für Quaiche
persönlich. An sich müsste Sie überglücklich
sein. Stattdessen fühlte sie sich manipuliert, so als hätte
sie sich vorgenommen, fair zu spielen, und ihr Gegner hätte
beide Augen zugedrückt und sie gewinnen lassen. Nur allzu gern
hätte sie Grelier die Schuld an allem gegeben, aber sie wusste,
dass der Generalmedikus nicht allein die Fäden gezogen hatte. Da
war noch etwas. Hatte sie den weiten Weg gemacht, um Harbin zu finden
oder um Quaiche zu begegnen?
    Zum ersten Mal war sie sich nicht mehr ganz sicher.
    Sie begann, in den quaichistischen Schriften zu blättern.
Vielleicht fand sich ja hier ein Hinweis, mit dem sich das
Rätsel entschlüsseln ließe. Aber es war der
übliche Schund, den sie verachtete, seit sie lesen konnte:
Haldoras Auslöschungen als göttliche Botschaft, als
Countdown zu einem nicht näher definierten Ereignis, dessen
Natur immer davon abhing, in welchem Text es erwähnt wurde.
    Über einem Deckblatt verharrte ihre Hand. Es trug das
adventistische Symbol: den seltsamen Raumanzug, von dem Lichtstrahlen
ausgingen, als stünde er vor einer aufgehenden Sonne. Nur kam
das Licht aus dem Anzug selbst. Das Ding wirkte wie
zusammengeschweißt, weder Nähte noch Fugen waren zu sehen.
Rachmika zweifelte nicht mehr daran, dass es sich um den Ehernen
Panzer im Turmzimmer des Dekans handelte.
    Sie dachte an den Namen der Kathedrale: Morwenna.
    Natürlich. Jetzt ging ihr ein Licht auf, alles
fügte sich zusammen. Morwenna war Quaiches Geliebte gewesen,
bevor er auf Hela landete. Das wusste jeder, der die Heilige Schrift
gelesen hatte. Ebenso war bekannt, dass sie, in einem seltsamen, grob
zusammengeschweißten Raumanzug gefangen, eines grausamen Todes
gestorben war. Der Raumanzug war an sich ein Folterinstrument
gewesen, entwickelt von den Ultras, für die Quaiche und Morwenna
gearbeitet hatten.
    Derselbe Anzug hatte im Turmzimmer gestanden und
unerklärliche Angstgefühle bei ihr ausgelöst.
    Damals hatte sie versucht, die Angst mit Vernunft zu
bekämpfen, doch als sie jetzt allein in ihrem Zimmer saß,
erfüllte sie der Gedanke, dass dieses Ding sich im gleichen
Gebäude befand, mit Entsetzen. Sie

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