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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Tischplatte. »Ich will nicht
näher auf die logistischen Probleme eingehen, die bei einer
Evakuierung von Yellowstone aufträten«, begann er.
»Ich glaube, darauf kommt es nicht an. Wir haben eine klare
Anweisung erhalten, keine Rücksicht auf die Not der
Flüchtlinge zu nehmen und nicht dorthin zu fliegen. Und wir
müssen auf Aura hören.«
    »Sie hat uns nicht ausdrücklich verboten, nach
Yellowstone zu fliegen«, warf Cruz ein. »Sie sagte
lediglich, wir sollten nach Hela fliegen.«
    Vasko sah sie streng an. »Und wo sehen Sie den
Unterschied?«
    »Wie gesagt, Yellowstone sollte für uns Vorrang haben.
Das schließt einen Besuch auf Hela nach Abschluss der
Evakuierung nicht aus.«
    »Bis dahin vergehen Jahrzehnte«, sagte Vasko.
    »Die vergehen in jedem Fall«, erwiderte Cruz
lächelnd. »So sind nun einmal die Spielregeln, mein Junge.
Gewöhnen Sie sich daran.«
    »Ich kenne die Spielregeln«, sagte Vasko leise und
ließ sie deutlich spüren, dass die Anrede ein Fehler
gewesen war. »Und mir ist auch bekannt, dass wir eine klare
Anweisung erhalten haben, nach Hela zu fliegen. Wäre ein Flug
nach Yellowstone in Auras Plänen enthalten gewesen, dann
hätte sie das doch sicher gesagt, meinen Sie nicht
auch?«
    Alle sahen das Kind an. Aura sprach manchmal: Inzwischen hatten
sich alle an das kaum verständliche, gurgelnde Krächzen
gewöhnt. Doch es gab auch Tage, an denen sie stumm blieb oder
nur Babylaute von sich gab. Oder sie hatte, wie eben jetzt,
vollkommen auf Empfang geschaltet und nahm nur auf, anstatt zu
senden. Ihre Entwicklung war beschleunigt, aber sie vollzog sich
nicht stetig: Es gab große Sprünge, aber auch Phasen des
Stillstands und unerklärliche Rückfälle.
    »Sie will, dass wir nach Hela fliegen«, sagte Khouri.
»Mehr weiß ich nicht.«
    »Und was ist mit der anderen Sache?«, fragte Scorpio.
»Was ist mit den Verhandlungen mit diesen Schatten?«
    »Das kam einfach mit durch. Vielleicht eine losgelöste
Erinnerung, die sie aber nicht deuten konnte.«
    »Was hast du bei dieser Gelegenheit sonst noch
aufgefangen?«
    Khouri sah ihn zögernd an. Es war ein Schuss ins Blaue
gewesen, aber er hatte einen Treffer gelandet. »Etwas, das mir
Angst machte«, sagte sie.
    »Hatte es mit diesen Schatten zu tun?«
    »Ja, es war ein Hauch des Entsetzens, er drang wie ein kalter
Luftzug durch eine offene Tür.« Khouri schaute auf das
Köpfchen ihres Babys nieder. »Sie hat es auch
gespürt.«
    »Und mehr kannst uns nicht sagen?«, fragte Scorpio.
»Nur, dass wir nach Hela fliegen und mit jemandem verhandeln
müssen, der euch beide zu Tode erschreckt?«
    »Der Botschaft war eine Warnung beigefügt«, sagte
Khouri. »Wir sollten uns behutsam vorantasten. Aber dennoch
müssten wir es tun.«
    »Bist du da ganz sicher?«, beharrte Scorpio.
    »Wieso nicht?«
    »Du könntest die Botschaft falsch verstanden haben.
Vielleicht hatte der ›Hauch des Entsetzens‹ einen anderen
Grund. Vielleicht sollte er uns mitteilen, dass wir uns auf keinen
Fall mit diesen… diesen Schatten einlassen sollten, wer oder was
sie auch sein mögen.«
    »Das wäre möglich, Scorp«, sagte Khouri,
»aber warum wären die Schatten in diesem Fall
überhaupt erwähnt worden?«
    »Oder Hela«, fügte Vasko hinzu.
    Scorpio sah ihn lange schweigend an. »War das alles?«,
fragte er endlich.
    »Ich denke schon«, sagte Vasko.
    »Dann sollten wir jetzt zu einer Entscheidung gelangen«,
sagte das Schwein. »Wir haben das Für und Wider
gehört. Wir können nach Hela fliegen und hoffen, dass es
dort etwas gibt, das die Mühe lohnt. Oder wir können mit
diesem Schiff nach Yellowstone zurückkehren und mit Sicherheit
einigen Menschen das Leben retten. Wie ich darüber denke,
dürfte bekannt sein.« Er nickte zu den Buchstaben hin, die
er mit Clavains altem Messer in den Tisch geritzt hatte. »Wie
Clavain unter diesen Umständen gehandelt hätte, weiß
ebenfalls jeder.«
    Niemand sagte ein Wort.
    »Aber es gibt da ein Problem«, fuhr Scorpio fort.
»Und das Problem ist, dass wir gar nicht zu entscheiden haben.
Dies ist keine Demokratie. Wir können nicht mehr tun, als unsere
Argumente vorzutragen. Das letzte Wort hat Captain John
Brannigan.«
    Er griff in eine Tasche seines ledernen Rocks und holte den roten
Staub heraus, den er seit Tagen mit sich herumtrug.
    Es war fein gemahlenes Eisenoxid aus einer der Werkstätten
– dem Marsboden so ähnlich, wie es siebenundzwanzig
Lichtjahre vom Mars entfernt nur möglich war. Er stand auf,
beugte sich über

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