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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Verdacht schöpftest. Doch deine wahre Aufgabe war die
ganze Zeit über im Hintergrund deines Bewusstseins versteckt. Du
musstest auf etwas warten, auf ein Zusammentreffen von bestimmten
Ereignissen, um das Ödland zu verlassen und dich zum Ewigen
Weg zu begeben. Jetzt bist du fast am Ende deiner Reise angelangt
und erwachst allmählich aus deinem Traum. Du fängst an dich
daran zu erinnern, wer du wirklich bist, und das findest du
aufregend, aber es macht dir auch Angst.]
    »Was für eine Aufgabe?«, fragte sie und musste fast
lachen.
    [Kontakt zu uns aufzunehmen], sagte die Stimme, [zu
uns, den Schatten. Du wurdest auf diese Welt geschickt, um mit uns zu
verhandeln.]
    »Wer seid ihr?«, fragte sie leise. »Bitte sagt es mir.«
    [Schlaf ein, kleines Mädchen. Du wirst von uns
träumen, und danach wirst du alles wissen.]
     
    Rachmika schlief ein und träumte von Schatten, aber auch von
anderen Dingen. Es waren Träume, die sie bisher mit leichtem
Schlaf und Fieber verbunden hatte: geometrisch, abstrakt, mit vielen
Wiederholungen, erfüllt von unmotivierten Schreckens- und
Glücksgefühlen. Sie träumte den Traum eines gejagten
Volkes.
    Sie waren weit weg, so weit, dass die Entfernung zum vertrauten
Universum – nach Zeit und Raum – mit keiner Einheit
sinnvoll zu messen war. Aber sie waren in gewissem Sinne eine
intelligente Spezies. Sie hatten gelebt und geträumt, und sie
hatten eine Geschichte, die selbst so etwas wie ein Traum war:
unvorstellbar weit zurückreichend, unvorstellbar vielschichtig,
ein Epos, das zu lang geworden war, um es noch erzählen zu
können. Rachmika musste – konnte – im Moment
nur so viel erfahren: Die Spezies war so alt, dass sie nach
menschlichen Begriffen nur noch unvorstellbar ferne Erinnerungen an
die eigene Kolonisierung des interstellaren Raums hatte, so
verblasst, so ausgebleicht, dass sie kaum zu trennen waren von den
Erinnerungen an die eigene Frühgeschichte, an die Entdeckung des
Feuers und die Jagd auf wilde Tiere.
    Diese Wesen hatten zuerst eine Hand voll Sonnensysteme und dann
ihre gesamte Galaxis besiedelt, danach waren sie in großen
Sprüngen immer weiter nach draußen gezogen. Sie waren von
einer hierarchischen Ebene zur nächsten getanzt, von Galaxien zu
Galaxiengruppen und weiter zu Superclustern aus zwanzig oder
dreißigtausend Galaxiengruppen, bis ihre Stimmen über die
sternenlosen Weiten zwischen diesen Superclustern – den
größten Gebilden der ganzen Schöpfung –
schallten wie Affengekreisch über die Wipfel des Urwalds. Sie
hatten Großartiges und Schreckliches vollbracht. Sie hatten
sich und ihr Universum umgeformt, und sie hatten Pläne für
die Ewigkeit geschmiedet.
    Doch sie waren gescheitert. In ihrer ganzen Schwindel erregenden
Geschichte von einem Skalensprung zum anderen hatte es niemals eine
Zeit gegeben, in der sie nicht auf der Flucht gewesen wären.
Nicht vor den Unterdrückern oder einer ähnlichen Bedrohung.
Bei ihren Feinden handelte sich zwar ebenfalls um Maschinen, aber
diese Maschinen glichen eher einer Seuche, einer alles
verschlingenden Transformationskrankheit, die die Intelligenz selbst
freigesetzt hatte. Der Traum lieferte nur vage Einzelheiten, aber
Rachmika verstand immerhin so viel: Eine Entwicklung aus der
frühesten Geschichte, mehr Werkzeug als Waffe, eher für
friedliche und praktische Zwecke gedacht, war außer Kontrolle
geraten.
    Das Werkzeug griff keine Personen an und ließ auch nicht
erkennen, dass es sie überhaupt als solche erkannte. Stattdessen
zerlegte es Materie – mit der sinnlosen Wut einer Feuersbrunst
–, verwandelte Welten in Schuttwolken, die ganze Sterne mit
Schalen aus Fels und Eis umgaben. In die Maschinenschwärme waren
Spiegel integriert, die das Sonnenlicht bündelten und die Leben
spendende Energie auf die Schuttkörner richteten. Die Energie
wurde eingefangen und mit transparenten Membranen um die Körner
festgehalten, sodass sich in den Blasen winzige Ökologien
entwickeln konnten. In solchen warmen, smaragdgrünen Nischen
konnten Vertreter der Spezies überleben, wenn sie wollten. Aber
das war ihre einzige Alternative, und auch dann war nur eine ganz
bestimmte Art von Existenz möglich. Sonst blieb ihnen nur noch
die Flucht: Sie konnten die Maschinen nicht aufhalten, sie konnten
nur vor dem Rand der Welle herlaufen und hilflos mit ansehen, wie das
Feuer der Transformation in einem Lidschlag kosmischer Zeit durch
ihre gewaltige Zivilisation raste und wie die Schwärme
maschinell angeregter

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