Offenbarung
zweiten in das Gegenstück eingeführt.
Dann hatten sie die Schlüssel gleichzeitig umgedreht und
anschließend synchron die beiden Hebel mit einer einzigen
fließenden Bewegung bis zum Anschlag nach oben gezogen.
Schläge und schwirrende Geräusche waren zu hören
gewesen. In der ganzen Halle hatten schnatternde Relais die normalen
Steuereingänge abgetrennt. Glaur wusste, dass seit dem
Einschalten der Automatik hinter dieser Klappe eine Uhr die Sekunden
herunterzählte. Inzwischen hatten die Hebel die Hälfte des
Weges in die Ausgangsstellung zurückgelegt: Noch einmal
zwölf bis dreizehn Stunden, dann würden die Relais mit
neuerlichem Schnattern die manuelle Steuerung wiederherstellen.
Zu spät. In dreizehn Stunden würde es wahrscheinlich
keine Morwenna mehr geben.
Glaur lehnte sich mit dem Rücken gegen den Handlauf, legte
die behandschuhten Hände auf den linken Hebel und drückte
mit aller Kraft nach unten. Der Hebel bewegte sich nicht: Er
verharrte wie festgeschweißt im gleichen Winkel. Glaur nahm
sich den rechten Hebel vor, dann beide gleichzeitig. Ein sinnloses
Unterfangen: Niemand wusste besser als er, dass die Sperre noch auf
sehr viel stärkere Kräfte ausgelegt war. Sie konnte selbst
einem aufgebrachten Mob standhalten, ganz zu schweigen von einem
einzelnen Mann. Aber er musste es versuchen, auch wenn die
Erfolgschancen noch so gering waren.
Schweißüberströmt und nach Atem ringend, stieg
Glaur in die Maschinenhalle hinab und holte schweres Werkzeug. Wieder
auf dem Laufsteg angekommen, stellte er sich vor die Klappe und
schlug mit verschiedenen Hämmern auf die Hebel ein. Das Klirren
drang durch die ganze Halle und übertönte sogar den
Maschinenlärm.
Aber auch damit erreichte er nichts.
Glaur brach erschöpft zusammen. Seine Hände waren so
verschwitzt, dass sie kein Metall halten konnten, und seine Arme
waren zu schwach, um selbst den leichtesten Hammer zu schwingen.
Wenn er die Sicherung auch mit Gewalt nicht dazu bringen konnte,
ans Ende der Laufzeit zu springen, was blieb dann noch? Er wollte die Morwenna nicht zerstören, er wollte sie nur anhalten oder
vom Weg abbringen. Er könnte den Reaktor beschädigen –
die Anschlüsse dafür waren noch nicht gesperrt –, aber
bis seine Eingriffe Wirkung zeigten, würden Stunden vergehen.
Ebenso aussichtslos war der Plan, die Antriebsmaschinerie zu
sabotieren: Dazu müsste er sie an irgendeiner Stelle blockieren,
und das erforderte ein großes Hindernis. In der Werkstatt
mochte es geeignete Metallteile geben – Kolben- oder
Kurbelstangen, die man ausgebaut hatte, um sie zu reparieren oder
einzuschmelzen –, aber so ein Ding könnte er niemals allein
tragen. Jetzt noch Sand ins Getriebe zu streuen, wäre einfach zu
viel verlangt.
Er hatte auch erwogen, die Leitsysteme zu beschädigen oder zu
täuschen: die Kameras, die den Weg beobachteten, die
Sternenkompasse, die den Himmel absuchten, die Magnetfeldsensoren,
die nach der Signatur des unterirdischen Induktionskabels tasteten.
Aber alle diese Systeme waren vielfach redundant und befanden sich
zumeist außerhalb der belüfteten Bereiche, entweder hoch
über der Erde oder in schwer zugänglichen Teilen des
Unterbaus.
Gib auf, sagte er sich: Die Techniker, die die
Sicherungsschaltung entwickelt hatten, waren nicht von gestern
gewesen. Sie hatten sicherlich jede nahe liegende Möglichkeit
ausgeschaltet, die Morwenna anzuhalten.
Die Kathedrale würde nicht stehen bleiben, und sie würde
auch nicht vom Weg abweichen. Er hatte Seyfarth versprochen,
bis zur letzten Minute zu bleiben und die Maschinen zu
überwachen. Aber was hatte er denn noch zu überwachen? Man
hatte ihm seine Maschinen genommen, hatte sie seiner Obhut entzogen,
als ob man ihm nicht mehr vertraute.
Glaur schaute von seinem Laufsteg hinab zu einem der im Boden
eingelassenen Gucklöcher, über die er so oft gegangen war.
Helas Oberfläche zog mit einem Drittel Meter pro Sekunde unter
ihm vorbei.
Scorpios Fähre setzte auf der Brücke auf. Die
ausgefahrenen Kufen wühlten sich knirschend durch den frisch
geschmolzenen Schneematsch, der sofort wieder gefror. Das Schiffchen
schwankte, als er sich losschnallte und sich umständlich
vergewisserte, dass alle Anschlüsse seines Raumanzugs richtig
funktionierten. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren, sein
Verstand setzte immer wieder aus wie ein zu schwaches Funksignal.
Vielleicht hatte Valensin doch Recht gehabt, vielleicht wäre er
tatsächlich besser auf der Unendlichkeit
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