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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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befand?
    Natürlich. Die Antwort lag auf der Hand. Sie starrte
ihm geradezu ins Gesicht. Eine wunderbar schlichte Lösung, die
sich aufs Eleganteste die hiesigen Gegebenheiten zunutze machte.
Warum war er nicht schon früher daraufgekommen?
    Er brauchte das Shuttle nur hinter Haldora zu verstecken.
    Nachdem er die erforderlichen Vorkehrungen getroffen hatte,
stellte er die Verbindung zu Morwenna wieder her.

 
Ararat

2675
     
     
    Vasko beobachtete mit großem Interesse, wie die Hauptinsel
in Sicht kam. Sie waren so lange über schwarzes Wasser geflogen,
dass ihm schon kleinste Spuren menschlicher Besiedlung willkommen
waren. Dabei strahlten die Lichter der abgelegenen Siedlungen, die
Ketten, Bögen und Schlingen, die den Konturen fast fremder
Buchten, Halbinseln und Inselchen folgten, so schwach, als wollten
sie sich jeden Moment verflüchtigen. Auch als die heller
erleuchteten Außenbezirke von Lager eins auftauchten, schwelten
und flackerten sie wie die Glut eines erlöschenden Feuers. Vasko
hatte immer gewusst, dass die Menschen auf Ararat keine sichere
Heimat hatten. Schon als er noch klein war, hatte man ihm das
eingehämmert. Aber bis jetzt hatte er es noch nie so unmittelbar
gespürt.
    Er hatte sich ein Fenster geschaffen, indem er mit dem Finger den
Bereich an der Innenwand des Shuttles nachzeichnete, der durchsichtig
werden sollte. Clavain hatte ihm diesen Trick mit einem gewissen
Stolz demonstriert. Vasko vermutete, dass der Rumpf von außen
immer noch einheitlich schwarz aussah und er auf einen Bildschirm
schaute, der genau die optischen Eigenschaften von Glas imitierte.
Doch wenn es um alte Technik ging – und das Shuttle war ganz
eindeutig alte Technik –, war alles möglich. Mit Sicherheit
wusste er nur, dass er gerade in einem Flugzeug saß, und dass
er niemanden in seinem Alter kannte, der das schon einmal erlebt
hatte.
    Das Shuttle hatte sie durch das Signal von Scorpios Armband
geortet. Vasko hatte zugesehen, wie es die Wolkendecke
durchstieß und in einem Trichter aus aufgewühlter Luft
herabsank. Ein glänzend obsidianschwarzer Rumpf, konkav und
deltaförmig wie ein Mantarochen, an dem zu beiden Seiten rote
und grüne Lichter blinkten.
    Mindestens ein Drittel der Unterseite leuchtete unangenehm grell:
Das waren die Gitter aus fotochemischen, fraktal gefalteten
Thermoelementen in ihrem Gespinst aus bläulich violett
flimmerndem Plasma. Aus den kühleren Bereichen hatte sich ein
klauenbewehrtes Fahrgestell geschoben und in perfektem Zusammenspiel
von Kolben und Gelenken bis zu seiner vollen Länge ausgeklappt.
Um die Eintrittsluken, Hotspots und Abgasöffnungen an der
Oberseite waren Neonlichter aufgeflammt. Das Shuttle hatte über
ihnen rotiert, bis es einen Landeplatz gefunden hatte, und dann
präzise aufgesetzt. Das Fahrgestell hatte sich zusammengeschoben
und das Gewicht abgefangen. Das Dröhnen der Plasmaerhitzer hatte
noch einen Augenblick angehalten, um dann erschreckend plötzlich
zu verstummen. Das Plasma hatte sich verteilt, nur ein stechender
Brandgeruch war zurückgeblieben.
    Vasko hatte das einzige Flugzeug der Kolonie dahin nur kurz und
aus der Ferne gesehen. Er war überwältigt.
    Die drei waren auf die Einstiegsrampe zugegangen. Kurz vor dem
Ziel war Clavain gestolpert und wäre fast auf die Felsen
gefallen. Vasko und das Schwein hatten sich gleichzeitig auf ihn
gestürzt, aber Vasko hatte ihn als Erster zu fassen bekommen.
Doch seine Erleichterung war nur von kurzer Dauer gewesen –
Clavain war so leicht wie ein Sack Stroh. Vasko hatte so scharf den
Atem eingezogen, dass er sogar das Zischen des Flugzeugs
übertönte.
    »Alles in Ordnung, Sir?«, hatte er gefragt.
    Clavain hatte ihm einen durchdringenden Blick zugeworfen.
»Ich bin ein alter Mann«, hatte er geantwortet. »Sie
dürfen nicht zu viel von mir erwarten.«
    Nun ließ Vasko die letzten Stunden in Clavains Gesellschaft
an sich vorüberziehen. Er wusste noch immer nicht, was er von
dem Alten zu halten hatte. Clavain erklärte ihm mit
väterlicher Freundlichkeit das Shuttle, erkundigte sich nach
seiner Familie, lobte ihn für seine klugen Fragen und neckte ihn
wie einen langjährigen Vertrauten. Und gleich darauf war er so
eisig und unzugänglich wie ein Komet.
    Die Stimmungswechsel kamen ohne Vorwarnung, aber Clavains Blick
richtete sich dabei jedes Mal nach innen, als hätte er
plötzlich das Interesse an seiner Umgebung verloren.
    Zunächst hatte Vasko natürlich angenommen, er hätte
den Alten irgendwie verärgert.

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