Offenbarung
wurde. Das stetige
Poltern der Räder, das wie eine Million von schweren Stiefeln in
forschem Marschtritt klang, war ein Bestandteil. Dazu kam das wamm, wamm, wamm der Raupenketten, wenn ein Glied nach dem
anderen auf das Eis krachte. Das Scharren der mechanischen
Füße, die wie Spitzhacken in den gefrorenen Boden bissen.
Das leise Ächzen der Maschinensegmente und ein Dutzend anderer
Geräusche, die sie nicht isolieren konnte. Und unter alledem wie
Orgelbegleitung das Stampfen unzähliger Motoren.
Crozets Eisjammer hatte die beiden vordersten Wagen etwa um das
Doppelte ihrer eigenen Länge hinter sich zurückgelassen.
Ganze Scheinwerferbatterien erleuchteten den Weg vor der Karawane und
tauchten Crozets Fahrzeug in ein hartes blaues Licht. Rachmika sah
winzige Gestalten hinter den Fenstern, einige lehnten sogar oben auf
dem Dach an den Geländern. Ihre Druckanzüge waren mit
religiösen Symbolen gekennzeichnet.
Die Karawanen waren ein elementarer Bestandteil des Lebens auf
Hela, dennoch musste Rachmika zugeben, dass sie nicht viel über
sie wusste. Nur die grundlegenden Fakten waren ihr bekannt. Die
Karawanen waren die mobilen Vertreter der großen Kirchen, von
denen die Kathedralen geleitet wurden. Natürlich waren auch die
Kathedralen – laut Crozet sehr langsam – in ständiger
Bewegung, aber sie blieben fast immer auf dem Ewigen Weg, der
am Äquatorgürtel verlief. Es gab gelegentliche
Abweichungen, aber so weit nach Norden oder Süden kamen sie
nie.
Die Karawanen mit ihren geländegängigen Fahrzeugen waren
von solchen Einschränkungen frei. Sie waren schnell genug, um
sich weit vom Weg entfernen und ihre Mutterkathedralen dennoch
im gleichen Umlauf wieder einholen zu können. Sie teilten sich,
formierten sich neu, schickten kleinere Expeditionen aus oder
vereinigten sich für eine gewisse Strecke mit anderen
Zügen. Oft waren in einer einzelnen Karawane drei oder vier
verschiedene Kirchen vertreten, deren Ansichten über das
Quaiche-Wunder und seine Deutung sich bisweilen fundamental
widersprachen. Aber alle Kirchen brauchten Arbeitskräfte und
Ersatzteile. Und alle suchten neue Mitglieder.
Crozet steuerte den Eisjammer unmittelbar vor dem Konvoi in die
Mitte der Piste. Das Gelände stieg hier leicht an, sodass der
Jammer nicht mehr schneller fahren konnte als die Karawane, die sich
weiterwälzte, ohne langsamer zu werden.
»Vorsichtig jetzt«, mahnte Linxe.
Crozet ließ seine Steuerknüppel tanzen. Das Heck des
Eisjammers schwenkte auf die andere Seite. Der Bug folgte, und die
Skier setzten sich mit einem dumpfen Schlag in die ausgefahrenen
Eisrillen. Die Steigung war noch stärker geworden, aber das war
jetzt kein Problem mehr – Crozet brauchte nicht mehr schneller
zu sein als die Karawane. Langsam, aber so unaufhaltsam, als glitte
die Küste an einem Schiff vorüber, holten die vordersten
Maschinen auf.
»Es ist tatsächlich der König«, sagte Crozet.
»Und sie haben offenbar auch schon auf uns gewartet.«
Rachmika wusste nicht, was er damit meinte, doch als sie
längsseits kamen, schwenkten vom Dach zwei Kranarme aus, von
denen Seile mit Metallhaken abgelassen wurden. Auf den Haken standen
zwei verwegene Gestalten in Druckanzügen. Irgendwann
verschwanden sie aus ihrem Blickfeld, und ein paar Sekunden lang
geschah gar nichts, dann waren auf dem Dach des Jammers schwere
Schritte zu hören, und Metall klirrte auf Metall. Im
nächsten Moment hörte die Fahrbewegung auf. Sie schwebten
wie im Traum neben der Karawane und wurden mit der Kranwinde
hochgehievt.
»Es ist jedes Mal das Gleiche mit diesen Frechdachsen«,
schimpfte Crozet. »Man kann machen, was man will, sie hören
einfach nicht.«
»Wenigstens können wir aussteigen und uns ein wenig die
Beine vertreten«, sagte Linxe.
»Sind wir jetzt auf der Karawane?«, fragte Rachmika.
»Offiziell, meine ich.«
»Wir sind drauf«, sagte Crozet.
Rachmika nickte erleichtert. Damit war sie dem Zugriff der
Vigrid-Gendarmen entzogen. Zwar hatte sich kein Verfolger blicken
lassen, aber in ihrer Vorstellung waren sie immer nur ein oder zwei
Biegungen hinter Crozets Eisjammer auf der Piste gewesen.
Sie wusste immer noch nicht, was sie von der Fahndung zu halten
hatte. Sie hatte mit einem gewissen Wirbel gerechnet, wenn die
Behörden erfuhren, dass sie weggelaufen war. Aber sie hatte
gedacht, man würde sich mit einem Aufruf an die Bevölkerung
begnügen, nach ihr Ausschau zu halten – und sie
gegebenenfalls ins Ödland zurückschicken. Stattdessen
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