Offenbarung
hatte
man tatsächlich Suchtrupps ausgeschickt. Das lag wohl daran,
dass sich die Gendarmen in den Kopf gesetzt hatten, sie hätte
die Explosion im Sprengstofflager auf dem Gewissen. Vermutlich
dachten sie, sie wäre nur weggelaufen, weil sie Angst hatte,
erwischt zu werden. Das war natürlich Unsinn, aber solange es
keinen glaubwürdigeren Verdächtigen gab, konnte sie sich
schlecht verteidigen.
Crozet und Linxe hatten sie immerhin nicht sofort verurteilt;
vielleicht war es ihnen auch gleichgültig, was sie angestellt
hatte. Dennoch hatte sie befürchtet, eine Straßensperre
der Gendarmen könnte den Eisjammer anhalten, bevor sie die
Karawane erreichten.
Zumindest diese Sorge war sie jetzt los.
Die Vorbereitungen zum Andocken dauerten nur eine Minute. Crozet
hatte dabei herzlich wenig mitzureden. Rachmika sah nicht, dass er
irgendetwas getan hätte, doch plötzlich geriet die Luft im
Innern des Jammers in Bewegung, und in ihren Ohren knackte es leise.
Dann waren Schritte zu hören.
»Sie wollen zeigen, wer der Boss ist«, sagte Crozet, als
ob sie das nicht selbst erkannt hätte. »Aber lass dir keine
Angst einjagen, Rachmika. Auch wenn sie gern den starken Mann
spielen, brauchen sie uns Ödländer schließlich
doch.«
»Ich bin nicht so schüchtern«, gab Rachmika
zurück.
Ein Mann kam so geschäftig in die Kabine geeilt, als
wäre er eben erst hinausgegangen. Er hatte ein breites rotes
Froschgesicht mit einer flachen Knollennase, unter der es
verdächtig glänzte. Gekleidet war er in einen langen Mantel
aus dickem violettem Stoff mit reich gefälteltem Kragen und
ebensolchen Manschetten. Ein schiefes Barett mit einem winzigen
Emblem saß schräg auf seinem roten Kraushaar. An den
Fingern steckten kostbare Ringe. In einer Hand hielt er ein Notepad,
über dessen Bildschirm Zahlenkolonnen in altertümlicher
Schrift liefen. Auf seiner linken Schulter saß ein bewegliches
Ding aus leuchtend grünen Stäben und Schläuchen.
Rachmika hatte keine Ahnung, wozu es diente, es hätte ein
Schmuckstück sein können, aber auch ein rätselhaftes
medizinisches Instrument.
»Mr. Crozet«, sagte der Mann zur Begrüßung.
»Was für eine Überraschung! Ich dachte schon, Sie
würden es diesmal nicht schaffen.«
Crozet zuckte die Achseln. Rachmika sah, dass er sich den Anschein
unverkrampfter Lässigkeit zu geben suchte, aber es fiel ihm
nicht leicht. »Ein guter Mann lässt sich nicht
unterkriegen, Quästor.«
»Mag sein.« Der Fremde warf einen Blick auf seinen
Bildschirm und verzog die Lippen, als hätte er in eine Zitrone
gebissen. »Aber diesmal haben Sie sich etwas zu lange Zeit
gelassen. Die Auswahl ist gering, Crozet. Hoffentlich sind Sie nicht
enttäuscht.«
»Mein Leben ist eine Kette von Enttäuschungen,
Quästor. Ich sollte mich inzwischen daran gewöhnt
haben.«
»Das wäre zu hoffen. Jeder muss wissen, wo sein Platz
ist, Crozet.«
»Wer wüsste das besser als ich, Quästor.«
Crozet machte sich am Schaltpult zu schaffen, wahrscheinlich stellte
er den Motor des Eisjammers ab. »Wollen Sie nun Geschäfte
mit mir machen oder nicht? Was den lauwarmen Empfang betrifft, so
haben Sie es darin ja inzwischen zur Perfektion gebracht.«
Der Mann lächelte dünn. »Sie irren sich, Crozet.
Das ist wahre Gastfreundschaft. Bei einem lauwarmen Empfang
hätten wir Sie auf dem Eis gelassen oder
überfahren.«
»Dann muss ich wohl noch dankbar sein.«
»Wer sind Sie?«, fragte Rachmika plötzlich, ohne es
zu wollen.
»Das ist Quästor…«, begann Linxe, doch der
Mann fiel ihr ins Wort.
»Quästor Rutland Jones«, verkündete er, als
stünde er auf einer Bühne. »Meister der
Hilfsgüterbestände, Oberaufseher der Karawanen und anderer
Mobiler Einheiten, Fahrender Legat der Kirche der Ersten Adventisten.
Und mit wem habe ich die Ehre?«
»Die Ersten Adventisten?«, fragte Rachmika, um jeden
Irrtum auszuschließen. Es gab viele Ableger der Ersten
Adventisten, darunter einige Kirchen, die selbst groß und
einflussreich waren, und einige, deren Namen so ähnlich klangen,
dass man sie leicht verwechseln konnte. Sie war ausschließlich
an der Kirche der Ersten Adventisten interessiert. »Die
älteste Kirche, die als allererste gegründet wurde?«,
fügte sie hinzu.
»Ja, soweit ich meinen Arbeitgeber kenne. Aber Sie haben
meine Frage noch nicht beantwortet.«
»Ich heiße Rachmika«, sagte sie. »Rachmika
Els.«
»Els.« Der Mann ließ sich die Silbe förmlich
auf der Zunge zergehen. »Ein häufiger Name in den
Dörfern des
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