Offene Rechnungen
Gefühlsaufwallung. Schließlich seufzte er und erhob sich so schwerfällig, als wenn er in der letzte Minute um Jahre gealtert wäre. Für Esther bestanden keine Zweifel, Reinhard Sonntag trug immer noch eine Last auf den Schultern.
KAPITEL 11
Frank freute sich über das sehr gute Vernehmungsergebnis seiner Kollegin. Genau wie er selbst, formulierte Esther deutliche Skepsis an dem neuralgischen Punkt der Aussagen. Monika Landau sah genau wie ihr Liebhaber gespannt zur Tür, als Frank eintrat. Sie klappte den Mund auf, um etwas zu sagen. Als sie Reinhard und Esther erblickte, stutzte sie und schloss eilig den Mund. Frank las die aufsteigende Verunsicherung in ihren Augen und wollte diesen Moment sofort nutzen.
»Wir haben ein großes Problem mit Ihren Aussagen. Bis zum Zeitpunkt des Mordes stimmen sie im Wesentlichen überein. Doch genau über den eigentlichen Vorfall gibt es stark abweichende Darstellungen.«
Reinhard und Monika wollten gleichermaßen aufbegehren, was Frank jedoch nicht erlaubte. Er wollte sie zuerst weiter unter Druck setzen, bevor er Antworten zuließ. Ab jetzt kam es auf den genau passenden Augenblick an, den Frank mit gezielter Steuerung erreichen wollte.
»Es ist aber nicht allein die Tatsache, dass Sie sich gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben. Vielmehr glauben weder Frau Helmholtz noch ich, dass Sie uns in diesem Punkt wirklich die Wahrheit erzählen.«
Bei Franks Vorwurf flog ein Blick voller Unglauben über den Tisch, da weder Reinhard Sonntag noch Monika Landau mit diesem Verlauf gerechnet hatten.
»Aber? Wir waren doch zusammen in der Küche, als Ihr Kollege über die Brüstung gestoßen wurde. Es ist doch völlig egal, wer wen zurückhalten wollte!«, hatte die Frau des Unternehmensberaters sich früher gefangen.
Monika konnte nicht glauben, dass Reinhard sich gegen sie gestellt haben sollte. Er hatte einfach nicht das Format, um solche weitreichenden Entscheidungen während einer laufenden Vernehmung zu treffen.
Ihr Liebhaber nickte zustimmend, sah fast flehend zu Frank über den Tisch. Der schüttelte den Kopf und warf Esther einen auffordernden Blick zu.
»Es gibt im Grunde nur eine plausible Erklärung für Ihr Verhalten«, übernahm seine Kollegin mit einer überraschenden Äußerung den Faden.
Esther hatte sich die ganze Zeit den Kopf zerbrochen, welche logische Erklärung für das merkwürdige Verhalten der beiden bestehen könnte. Erst bei Monika Landaus Protest war ein Gedankenblitz entstanden, dem sie jetzt nachging. Esther setzte völlig auf ihren Instinkt.
Frank beherrschte seine Verwunderung. Er hatte keine Ahnung, ob Esther in die gleiche Richtung dachte wie er selbst. Sollte seine Kollegin nur einen Bluff starten?
»Ach, ja? Und welche sollte das nach Ihrer Ansicht sein?«
Dieses Mal war es Sonntag, der schneller reagierte. Genauso gespannt wie er, sah auch Monika Landau zu der Oberkommissarin hinüber.
»Sie waren zum Zeitpunkt des Mordes eben nicht gemeinsam in der Küche. War einer von Ihnen auf der Toilette und hat den anderen um dieses Alibi gebeten?«
Frank verneigte sich innerlich vor Esther, die tatsächlich die glaubhafteste Erklärung für die Abweichungen gefunden hatte. Das erschreckte Zusammenfahren von Sonntag und Landau zeigte die Richtigkeit von Esthers Ausführung. Das war also der Knackpunkt in der Geschichte. Ab jetzt sollte es definitiv leichter werden, das Geflecht von Lügen zu durchdringen.
»Das ist eine Unterstellung!«, fauchte Monika.
Ihre Reaktion reichte völlig aus, um für Frank die Frage nach dem Toilettengänger zu beantworten.
»Überlegen Sie sich gut, ob Sie eine Falschaussage riskieren wollen, Herr Sonntag«, mahnte Frank.
Der Liebhaber von Monika sah sie verzweifelt an, bevor er beschämt den Kopf senkte. Es lief wie erhofft und ein glücklicher Schwindel erfasste Reinhard, da sein Plan sich tatsächlich erfüllte.
»Feigling.«
Mehr fiel Monika Landau nicht ein. Frank seufzte verärgert auf. Die Trotzreaktion war durchaus gefährlich, da sie sich festigen und somit weitere Aussagen verhindern konnte.
»Damit haben Sie sich keinen Gefallen getan, Frau Landau. Auch eine Anstiftung zur Falschaussage steht unter Strafe. Dann klären wir jetzt nochmals den Zeitablauf am Abend des elften April. Wann haben Sie die Küche verlassen, Frau Landau?«
Akribisch ging Frank die zeitlichen Abläufe durch. Bei den Antworten der Frau achtete er auch immer gleich auf die jeweilige Reaktion von Sonntag. Als der bei der Dauer des Toilettenganges
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